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druckschrift.net Beiträge

Deutschland, in fact

Durch einen Infekt, der passend zum Ferienbeginn startete, bin ich in die glückliche Lage versetzt worden, einige Tage auf der Couch zugebracht zu haben. Zwei Videospiele habe ich ausprobiert: Trüberbrook und Die Säulen der Erde. Während mich Trüberbrook, welches ich gleich zu Beginn der Crowdfunding-Kampagne unterstützte, maßlos enttäuscht hat und ich es ziemlich bald nicht mehr weiterspielen wollte (ich bin da wohl nicht der einzige), hat mich Die Säulen der Erde schwer begeistert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ich schon als Kind aufwendig gezeichnete Hintergründe in Zeichentrickfilmen gemocht habe. Man muss da allerdings zu sagen, dass hier mehr oder weniger interaktiv eine Geschichte erzählt wird, es handelt sich weniger um ein ‚Spielen‘. Besonders gelungen finde ich, dass ich immer den Eindruck hatte, dass kleine Entscheidungen großen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte hatten. Dieses Erzählen gefiel mir besser als das meiste, was ich vorher an interaktivem Erzählen gesehen habe.

An Trüberbrook störte mich am meisten, dass es hölzern wirkte, ich nicht das machen konnte, was ich wollte (noch häufiger als bei Die Säulen der Erde) und ich immer den Eindruck hatte, ein Fanprojekt zu spielen. Die grafische Kulisse muss sehr aufwendig gewesen sein, hat mich aber optisch nicht überzeugt. Warum Spielezeitschriften wie die Gamestar das Spiel recht hoch bewerteten (deutlich höher als Die Säulen der Erde), kann ich mir nur mit einer gewissen Deutschtümelei erklären, schließlich kommt das irgendwie aus der Böhmermann-Ecke, was man auch an den Synchronsprechern erkennt. Ohnehin frage ich mich, warum so häufig Sachen aus Deutschland so mit Minderwertigkeitskomplexen behaftet sind, dass es peinlich wird. Jedenfalls trifft dieses Review meiner Ansicht nach zu:

The puzzles are illogical and unsatisfying. The tonally inconsistent plot never really works and the dialogue and voice-acting is highly variable. Boring protagonist. Too short and too expensive.

Die Bewertung beider Spiele kann man auch nochmal bei Metacritic vergleichen, etwas realistischer als sämtliche Reviews deutscher Zeitschriften: Trüberbrook und Die Säulen der Erde.

Mozambique

Während nach der Flutkatastrophe in Mosambik, ausgelöst durch einen Zyklon, etliche Spendenaufrufe erfolgten und Deutschland schließlich 50 Millionen € für den Wiederaufbau spendete, brennt in Frankreich ein Haus halb ab, Ave Maria wird voller Bestürzung gesungen und in kürzester Zeit kommen an die 1 Milliarden € Spenden für den Wiederaufbau zusammen.

Wer mich jetzt zynisch findet, denkt bitte nochmal nach, was an der Sache selbst zynisch sein mag.

PS: Vielleicht wird der Kaffee an der Notre Dame ja jetzt billiger.

Der gute, alte Bleistift

Während ich mit Alexander kürzlich über die Jugend – also die, die nach uns Uropas kommen – schimpfte, weil die jungen Leute nur noch vorm Handy hingen, lief wohl diese Meldung über den Ticker: Demenz durch zu viel Fernsehen. Das finde ich etwas witzig, nicht nur, weil wir uns vorher und nachher viel über Filmempfehlungen unterhielten. Auch kann ich mich nicht mehr ganz genau erinnern, ob Alexander tatsächlich Antonio Banderas als Hauptdarsteller in ‚Mother!‘ benannt hat. Ich würde sagen, das war: Spitzer!

Siehe auch:

Disclaimer: Verfasst wurde dieser Beitrag an einem Smartphone, frühstückend, nachdem ich gestern einen halben Tag mit anderen nostalgischen Uropas eine LAN-Party gemacht habe.

Wiener

Gestern schrieb ich ja über Star Trek Discovery. Da ist mir in der letzten Folge tatsächlich in der Szene, als Käpt’n Pike ein entlegenes Klingonenkloster aufsucht die Assoziation zu Game of Thrones gekommen (ohne dass ich davon je eine Folge gesehen hätte – außer die passende Southpark-Folge natürlich). Einen kurzen Moment später fiel mir auf, dass die Hintergrundmusik mit Geigen/Synthesizern unterlegt die Game of Thrones-Titelmelodie andeuteten. Vermutlich haben mir meine Lhren einen Streich gespielt. Eine winzige Restmöglichkeit bleibt, dass die Melodie so subtil unterlegt wurde, dass erst dadurch die Assoziation überhaupt hervorgerufen wurde. Dann wäre ich wieder fein raus.

Trekflix

Ich treffe mich seit einer Weile regelmäßig mit einem Freund, um die wöchentlich neu erscheinenden Discovery-Folgen der zweiten Staffel anzusehen. Die erste Staffel war ganz unterhaltsam, wobei ich mich an Kritiken erinnerte, das habe nichts mit Star Trek zu tun, wie man es kannte. Dem Stimme ich zu, allerdings ohne negativen Unterton. In der zweiten Staffel nun wird ganz schön viel geredet. Und geweint. Problem: Ich finde die Schauspieler für sowas nicht überzeugend genug. Was für prügelnde Albinoklingonen noch reichte, langt nicht wirklich für den Netflix-Effekt. Wenn die Story gedehnt wird, müssen die Schauspieler kompensieren. Man nennt das dann vielleicht „Hier habt mehr Freiheiten, die Rolle zu entwickeln“ oder so. Jedenfalls mochte ich früher schon die Star Trek-Folgen mehr, wo etwas kaputt ging, ein Raumschiff oder so.

Morbiditätsradeln

Gestern bin ich mit dem Fahrrad nach Marburg, um Kaffee zu kaufen. Es handelt sich dabei um einen Contigo-Laden mit eigener Rösterei. Bislang habe ich nur dort reinen Robusta-Espresso gefunden. Auf dem Rückweg hielt ich an, als ich einen halb überfahrenen Käfer sah:

Als ich für das Foto auf der kaum befahrenen (und für den Autoverkehr eigentlich gesperrten) Straße lag, unweit von mir das Fahrrad, kam auf einmal ein Auto. Es hielt an. Der Fahrer reckte sich nach oben und fragte bestürzt durch das Beifahrerfenster, ob alles in Ordnung sei. Ich hab das erst nicht gerafft und sagte, dass alles OK sei und ich nur ein Foto mache. Als er weiter fuhr, kam mir in den Sinn, dass der neben mir liegende Helm und das Fahrrad etwas weiter nach einem Unfall aussehen müsse. Währenddessen erreichte mich ein Radfahrer, der besorgt fragte, ob alles in Ordnung sei. Mir wurde das dann unangenehm und ich brach das Fotografieren ab. Schön, dass sich alle Vorbeifahrenden Sorgen machten und nachfragten. Ob auf einer viel befahrenen Straße auch 100% angehalten hätten?

Gotcha

Gelegentlich muss man ja mittels Captchas beweisen, dass man ein Mensch ist. Ich bin dafür häufig zu blöd. Gerade wenn man auf solch gekachelten Bildern jene auswählen muss, die einem bestimmten Kriterium entsprechen – z.B. mit Verkehrsschildern -, scheitere ich regelmäßig, bis ich aufgebe.

Dabei stellt sich mir ein logisches Problem: Eine Maschine überprüft, ob es ein Mensch oder ein Automat ist, der die Eingaben tätigt. Das ist ein bisschen wie der Turing-Test. Nur eventuell komplett ohne Mensch. Also eher wie der Voight-Kampff-Test. Kann dann das Ergebnis überhaupt verlässlich verifiziert werden? Und lassen sich Menschen leichter hereinlegen als Maschinen?

Auf das Thema bin ich übrigens durch diesen Kommentar gekommen: Seehofer zum Captcha-Test bitte.

Uropareform

Warum muss ich bei dem Wort „Urheber“ an „Uropas“ denken?

Ist euch schonmal aufgefallen, dass in ‚Europaparlament‘ der ‚Uropa‘ steckt?

Und: Zur Urheberrechtsreform und den Fridays for Future-Demos ist mir aufgefallen, dass es vor allem ein beschleunigter Generationenkonflikt oder sowas in der Art ist, der da gerade stattfindet. Die ‚Alten‘ tätscheln den ‚Jungen‘ auf den Kopf nach dem Motto: Hauptsache, ihr engagiert euch mal – jetzt ist aber auch wieder gut.

Außerdem: Vielleicht helfen ja auch Nelsons Vorstellungen von einem Internet.

Siehe auch: Ecce! Lo And Behold!

Woran man merkt, dass man alt ist.

Neulich erklärte mir eine Schülerin, dass sie Eno gut finde. Der mache Rap. Das sei ‚Sprechgesang‘. Ich antwortete mit: „Aha“ und dachte: „Ey, ich hab RIN schon live gesehen, Alde!“

s/w

Kürzlich erwarb ich eine Canon AE-1. Damit macht das Fotografieren richtig Spaß. Das Tolle an der analogen Fotografie: Es ist wie beim Crowdfunden. Man investiert was und dann dauert es eine ganze Weile, bis man das Ergebnis sieht – wenn man denn überhaupt etwas bekommt. So habe ich bereits wenigstens einen Film sinnlos verschossen, den ich vermutlich nicht richtig eingelegt hatte. Der andere jedoch hat ein paar recht schöne Schwarzweiß-Bilder ergeben.

Das Tollste ist jedoch, dass ich das 50mm Makro-Objektiv der alten Canon dank Adapter auch an meine neuere digitale Pentax machen kann – und das wertet sie ganz schön auf, weil es offensichtlich lichtstärker ist als mein Reisezoom-Objektiv. Das könnte Patrick gefallen, der ganz gerne mal den ein oder anderen Fünfsekünder dreht.

Min.

Während ich das Design der Seite abändere, um es zu entschlacken, stellt sich mir die Frage, warum Minimalismus (zumindest stellenweise) mehr und mehr in Mode kommt. Vielleicht liegt das am Verlangen nach mehr Inhalt (im Sinne von mehr Tiefe, nicht mehr Content). Die Idee zur Veränderung hatte ich, nachdem ich auf diese Sache gestoßen bin: write.as. Sagt viel über mich aus, dass ich anfange, am Layout zu basteln, anstatt zu schreiben.

Hyppytyynytyydytys

Henrik Szanto hat ein Buch veröffentlicht, der Deutschlandfunk berichtet darüber:

Hyppytyynytyydytys sei ein Kunstwort, das im Finnischen die Freude bezeichnet, die man empfindet, wenn man auf Kissen herumspringt.

Ich finde Poetry Slams ja ganz ok. Sprachlich beeindrucken mich andere derzeitige lyrische Expressionsformen mehr, zu nennen wäre da SSIO, allein wegen der Vokalsprache. – Ist y nun eigentlich ein Konsonant?

Am meisten nerven mich Poetry Slams, wenn sie zu Comedy Shows mutieren. Im Jokus gewinnen jedenfalls meistens die ‚witzigen‘ Texte.

Apropos Brustschwimmen und Futur II: Brustschwimmer sind einfach benachteiligt.

Umzug

Ich ziehe gerade um. Sowas ist immer ganz schön stressig. Ohne die Hilfe von guten Leuten wäre ich ganz schön aufgeschmissen. Mein Bruder zum Beispiel hat meine Küche abgebaut, während ich sämtlichen Kram weitergepackt hab. Das grundsätzliche Problem an Umzugsvorbereitungen ist die zeitliche Planung: Wenn man zu früh anfängt zu packen, hat man Dinge, die man benötigt, nicht in Reichweite. Wenn man zu spät anfängt, kommt man ins Schwitzen – oder die Umzugshelfer werden auch Packhelfer. Das Kritische: Ich bin langsam. Dadurch wird das Zeitfenster der Umzugsvorbereitung bedrohlich klein. Blöd ist außerdem, dass man sich als Lehrer keinen Urlaub nehmen kann. Den letzten Umzug , er war in den Sommerferien, hatte ich entspannter in Erinnerung.

Summe der Teile = Produkt der Phantasie

Schwein haben

Letztes Jahr lud das Bundeslandwirtschaftsministerium zu einem Treffen zur Konkretisierung des Tierwohllabels verschiedene Beteiligte ein. Seit Februar gibt es nun dieses Tierwohllabel. Meine Schüler merkten Unterschiedliches an:

  • 0,75qm (gesetzlicher Mindeststandard) – Da passe doch kein Schwein drauf.
  • Dass das Tierwohllabel freiwillig ist, führe dazu, dass vermutlich nur jene Betriebe das Label abdrucken würden, die eine höhere Stufe erfüllen können.
  • Wenn viele Betriebe mitmachen würden, machen jene, die nicht mitmachen, vermutlich Verluste.
  • Da das Fleisch der Stufe 3 bestimmt teurer sei, müsse man sich Tierwohl erst einmal leisten können.
  • Eine unbetäubte Kastration tut sehr weh (noch gesetzlicher Mindeststandard).

Niqab

In Kiel verbietet die Hochschule Vollverschleierung. Begründet wird das damit, dass die Mindestvoraussetzung der Kommunikation zur Erfüllung universitärer Aufgaben erfüllt sein müssen.

Ein Kommentar dazu war: Vollverschleierung einfach scheiße finden oder auch auch als Symbol der Unterdrückung der Frau zu verstehen und deswegen abzulehnen, fände ich eine ehrlichere Argumentation.

Mein Kommentar: Wenn ich jemandem im Gesicht nicht ansehen kann, wie langweilig mein Unterricht ist, wäre das auch nicht so ehrlich.

Meine Zukunft ging verloren im Kreis.

Instagramazon

Allmacht Amazon habe ich neulich nebenbei geschaut. Ganz interessant war der Selbstversuch einer Netzaktivistin. Düstere Zukunftsszenarien wie bspw. dass Amazon in Zukunft weiß, was du willst, bevor du es weißt, blieben natürlich auch nicht aus. Durch die zunehmende Macht von Amazon drohe sich ein Modell der Planwirtschaft zu entwickeln. Klingt nach ganz großem Fußball, der Jeff Bezos da gelingt.

Derweil hat Facebook vom Bundeskartellamt ein fettes Dislike und 1 Jahr Zeit bekommen, seine Regelungen zur Datensammlung umzugestalten, sodass man dem ausdrücklich zustimmen muss. Was mir dabei nicht klar war: Facebook sammelt z.B. Daten von seinen Nutzern, wenn eine beliebige Internetseite Facebooks Like-Button implementiert hat, ohne dass man diesen drücken müsste. Schöne neue Welt.

Deep

„Roboter gehören zur Schöpfung“ – das Gespräch erinnerte mich ganz entfernt an Der Gewissensfall, wo ein Theologe Teil eines Erkundungsteams auf einem fernen Echsenplaneten ist – um herauszufinden, ob dieses gesellschaftliche Paradies, welches ohne den Glauben an Gott funktioniert, echt ist oder eine Illusion des Teufels, um die Menschen zu verführen, von Gott abzulassen.

Im DLF-Gespräch geht es allerdings um Künstliche Intelligenz und ob diese moralische Entscheidungen zu treffen vermag. Wenn ich den Theologen richtig verstanden habe, schlägt er eine pragmatische Lösung für diverse Dilemmata vor. So könne Deep Learning (Vorsicht!) so eingesetzt werden, dass KI das richtige Verhalten von Menschen automatisch lernt. Eine Entscheidung grundsätzlich am Programmiertisch zu treffen, wie bspw. sich ein Auto in Dilemmasituationen zu verhalten habe, sei jedenfalls nicht sinnvoll, da jede Entscheidung von vielen kleineren Faktoren bedingt sein könnte.

Mein Gedanke dazu war: Wenn Maschinen durch Beobachtung moralisches Handeln lernen sollen, ist es ja nicht mehr moralisch, weil die Entscheidung, etwas als richtiges und also nachahmenswertes Verhalten zu interpretieren nicht auf einem Individuum (samt Historie, Trotz und freiem Willen) beruht, sondern vermutlich auf der bloßen Masse von ‚richtigen‘ Handlungen.

Interessant finde ich die Frage, wie sehr wir Menschen Moral auch ’nur‘ deep lernen. Erwähnenswert ist noch die Anekdote vom Prager Golem, der vergessen wurde, für den Sabbat deaktiviert zu werden, und daraufhin das Haus seines Herrn verwüstet.

Alexander meint zu dem Beitrag Folgendes:

Ich glaube, hier liegt eine große Begriffsverwirrung vor, die notwendigerweise zur Nivellierung zentraler anthropologischer Grenzziehungen führt. Es ist in dem Beitrag immer wieder von ‚maschinellen Entscheidungen‘ die Rede. Gibt es die aber überhaupt – und wenn ja, in welchem Sinne? Die Wahl zwischen zwei (oder mehreren) Handlungsoptionen ist nur unter der Bedingung ‚moralisch‘, dass die Handlung für den Entscheidungsakteur eine persönliche Relevanz besitzt. Das würde ich bei Maschinen grundsätzlich bezweifeln. Schon in der sprachlichen Mikrostruktur des KI-Diskurses wird mit unzulässigen Gleichsetzungen zwischen Mensch und Maschine operiert. Roboter sind nicht ‚intelligent‘, es sei denn man reduziert Intelligenz auf Lernfähigkeit; sie handeln nicht ‚moralisch‘, weil sie bloß einem sich selbst optimierenden Programm folgen; und sie treffen auch keine ‚Entscheidungen‘, weil sie keine Gewissensbisse verspüren. Was wie moralisches Handeln aussieht, ist noch lange kein moralisches Handeln. Das ist im Grunde auch mein Einwand gegen den Turing-Test. Einer Maschine Würde zuzusprechen wäre damit das Ergebnis einer fundamentalen Selbsttäuschung – Kubriks ‚A.I.‘ in allen Ehren.

Damit wäre alles gesagt.

Geh Eh Weh

Auf spiegel.de ist eine Kolumne zu finden, in der eine Mutter über ihre Erlebnisse bei Elternsprechtagen berichtet: Ganz harte Schule
Warum Lern­ent­wicklungs­gespräche Mumpitz sind. Ûber diesen Satz bin ich gestrauchelt:

Ich äußerte den innigen Wunsch, meiner Tochter doch bitte beizubringen, wenigstens die Arbeitsblätter mitzubringen.

Mich erinnerte das an ein Plakat von der GEW zu einem Elternsprechtag, auf dem ein Elternteil zum Lehrer sagt: „Mein Sohn sagte mir, Sie seien verhaltensauffällig.“

Wartezimmer

Ich saß neulich beim Arzt im Wartezimmer. Da ist mir aufgefallen, dass es dort eine stille Übereinkunft bestimmter Verhaltensweisen gibt.

  • Das Grüßen geht nur vom Eintretenden aus, nie von den Wartenden.
  • Man redet grundsätzlich nicht – es sei denn, man kennt sich, dann muss man reden.
  • Gespräche zwischen zwei einander unbekannten, die manchmal aus einem konkreten Anlass beginnen, brechen abrupt ab, wenn eine bestimmte Intimitätsebene erreicht wird.
  • Kinder kennen diese stillen Übereinkünfte nicht.

Kurz: Verhalte dich wie in der Sauna.

Preisfrage: In welchen (halb-)öffentlichen Räumen gelten diese Regeln noch? Tipp: Der Fahrstuhl ist es nicht.

Gute Nacht

Ich habe mir die Serie Nightflyers angeschaut. In den Kommentaren zu einer Kritik auf SPON entdecken einige Ähnlichkeiten zu Event Horizon, 2001: A Space Odyssey und Interstellar. Ich würde wenigstens noch Solaris hinzufügen. Nightflyer basiert auf einer kurzen Erzählung aus dem Jahr 1980 von George R.R. Martin, bekannt für Game of Thrones. (Ich habe gehört, dies solle die beste Serie aller Zeiten sein.) Ganz interessant ist, dass Nightflyers schonmal 1987 verfilmt wurde – offensichtlich nicht so gut:

Director Robert Collector left the production before the film’s editing was completed, and requested that his name not appear in the credits.

Für mich klingt das, als hätte er sich einen Kilius geleistet.

Eine Richtung braucht zwei Standpunkte.

Können Zweifel unberechtigt sein?

Piet

Anne hat mich gerade daran erinnert: Vor genau einem Jahr musste mein Hund eingeschläfert werden. Er hatte Krebs, der so gestreut hatte, dass durch ein Loch in der Herzwand Flüssigkeit im Herzbeutel war. Eine Not-OP wäre sofort nötig geworden, um mit einer Punktion das Herz zu entlasten. Da seine Blutwerte mies waren, wäre er vermutlich bei der OP verblutet. Hätte er überlebt, hätte er vermutlich noch wenige Wochen gelebt. Also war die Entscheidung, ihn einzuschläfern, vernünftig. Schwer war sie, weil er vor dem Einschläfern noch ziemlich fit schwanzwedelnd in den Behandlungsraum der Tierklinik reingetrabt kam. Der Oberarzt hatte wohl nochmal deutlich gemacht, dass er noch nie ein Tier mit diesem Krankheitsbild gesehen habe, das noch so fit gewesen sei. Das kann ich bestätigen, da er mich (auf dem Fahrrad) noch 10 Tage vorher abgezogen hatte, ich kam schlicht nicht an sein Tempo heran. Es geht manchmal sehr schnell.

Zeitmanager

Gestern hatten wir an unserer Schule einen pädagogischen Tag. Für die Schüler bedeutet das, sie haben einen Tag frei. Die Lehrer müssen arbeiten. Das Thema war Zeitmanagement. Durch den Vormittag führte ein Mensch, der sich wohl auf dieses Thema spezialisiert hat und in Firmen&Co solche Workshops anleitet. Es wurden zunächst einige Modelle und Prinzipien vorgestellt:

Zu Prokrastination (Stichwort: „Die Faulheit steigt mit den Möglichkeiten.“) verlor unser Zeitmanager kein Wort. Interessant fand ich die Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz: Tue ich die richtigen Dinge? (Effektivität) Oder tue ich die Dinge richtig? (Effizienz) Allerdings würde ich die beiden Begriffe nicht (so) unterscheiden. Ich halte das eher für einen rhetorischen Trick, um Verblüffung zu erzeugen, nachdem jeder trotz Grübelei nicht auf die Unterschiede der beiden Begriffe gekommen ist.

Im Grunde hatte ich das Gefühl, dass sich alles eher an Führungskräfte richtete. Schließlich gab der Workshopleiter uns Anekdoten mit auf den Weg, wie bspw. die von jenem hart arbeitenden Menschen, der zum ersten Mal in seinem Leben 3 Wochen Urlaub am Stück genommen habe. Als dieser dann nach den 3 Wochen seine Arbeitsmails abgerufen habe, seien das so viele gewesen, dass er sie alle in einen Extraordner verschoben habe, um sie sich später anzusehen. Nach Monaten sei ihm dann der Ordner mit den nichtbeantworteten Mails eingefallen. Da habe er für sich gemerkt: Es sei ja auch so gegangen.

In der sich anschließenden Gruppenarbeitsphase zog ich mich ins Bürro zurück, um mich weiter um den Zeugnisdruck zu kümmern (der Kollege, der das üblicherweise macht, war erkrankt), und dachte darüber nach, wieviel Arbeit durch die nicht beantworteten Mails wohl an anderen hängen geblieben war.

Wenn sich in unserer Schule alle nur noch an die erlernten Zeitmanagementregeln halten würden, wären wir sicher bald keine Teamschule mehr.

Beerdigungstourist

Am Freitag wollte ich auf eine Trauerfeier. Zehn Minuten vor Beginn berat ich über einen Nebeneingang den Neuen Friedhof – zum ersten Mal war ich dort – und machte mich auf dem riesigen Gelände auf die Suche nach der Kapelle. Schließlich sah ich das passende Gebäude und eilte zum Seitenaufgang, doch als ich gerade die Treppe zum Innenhof aufsteigen wollte, kam mir plötzlich eine Urne samt Trauerzug entgegen. Ich wand mich möglichst unauffällig um – und machte mich auf die Suche nach einer alternativen Kapelle, schließlich konnte dort, wo die eine Trauergemeinde das Gebäude verlässt ja nicht in wenigen Minuten die nächste Trauerfeier beginnen. Oder hatte ich mich womöglich in der Zeit geirrt? Zwischen den Bäumen der parkähnlichen Anlage lugte ich immer wieder Richtung Trauerzug, ob ich nicht doch jemanden erkennen würde. In meinem türkis-blauen Outfit – ein Wunsch der Hinterbliebenen war es, die Lieblingsfarben des Verstorbenen zu tragen – wirkte ich ziemlich verloren zwischen den Sträuchern und Bäumen des weitläufigen Friedhofs. Ich entschied, mein Glück nochmals beim Ausgangsgebäude zu probieren. Dort traf ich dann diesmal – es waren etwa 7-8 Minuten vergangen – auf die richtige Trauergemeinde. Man klärte mich flüsternd noch schnell auf, dass die vorausgegangene Trauerfeier eine Stunde zu spät gewesen sei, ich hätte gerade noch das aufgestellte Bild des zuvor zu Bestattenden verpasst, was recht makaber gewesen sei. Was dann begann, war eine bewegende Trauerveranstaltung.

BUS

Donnerstag bin ich (auf dem Fahrrad) zwischen einem mich überholenden Zieharmonikabus und einem einparkenden Auto beinahe zerquetscht worden. Ich fuhr auf der Straße, der Bus überholte mich mit geschätzt weniger als 1m Abstand auf Höhe der ersten Sitzreihen links und dem einparkenden Auto rechts. Der Busfahrer drängte etwas nach rechts und mit einer starken Bremsung konnte ich noch rechtzeitig anhalten. Geschimpft habe ich wie ein Rohrspatz.

Meine Physiotherapeutin (Radfahrerin) hatte vor Jahren bereits über die Gießener Busfahrer geschimpft. Ich hatte das damals nicht so krass gesehen, mittlerweile aber einige Erfahrungen gemacht, die das tendenziell bestätigen. Noch problematischer finde ich allerdings diverse Radwege, die vom Bürgersteig auf Höhe einer Bushaltestelle auf die Straße zusammengeführt werden. Das ist sicher für Busfahrer schwer einzusehen. Zugegeben war dies nicht mein erster Gedanke, als ich damals mit einer Vollbremsung einen Ziehamonikabus etwa 50cm vor meiner Nase vorbeibrettern sah. (War es der gleiche Bus?)

Am Donnerstag habe ich mich jedenfalls über diese rücksichtslose Fahrweise des Busfahrers so sehr geärgert, dass ich ihn an der nächsten Haltestelle ansprach, ob er mich nicht gesehen hätte. Seine Reaktion: „Haben Sie mich nicht gesehen? Das ist kein Formel1-Rennen!“ (Ich muss hier nochmal betonen, dass er mich überholte.) Das fand ich sehr frech (, aber weil ich so langsam bin, fiel mir das erst später auf) und bat ihn mit zusammengelegten Händen: „Bitte, bitte, bitte, nehmen Sie mehr Rücksicht!“ Er hat mich dann mit den Händen nachgeäfft. Hat sich alles nicht so toll angefühlt. Habe mich dann noch den ganzen Tag aufgeregt. Auch irgendwie dumm.

Nennt man das eigentlich Nötigung?

Ich sehe da eher ein strukturelles Problem in der falschen Priorisierung bei städtischer Verkehrsplanung und halte Veränderungen hier für wesentlicher als Diskussionen um Tempolimits auf Autobahnen. Allerdings kann es mir auch passieren, von E-Bussen zerquetscht zu werden.

Vujelsterwe

Diego weist auf das Vogelsterben (logo) hin: Vogelsterben: Es ist etwas faul im ländlichen Raum. Ich fasse das aus meiner Sicht Wesentliche zusammen für die Leesefaulen:

Die Arten der Kulturlandschaft haben Bestandseinbrüche von 50 Prozent und mehr erlebt, während ihre Verwandtschaft im Siedlungsraum oder in den Wäldern sich deutlich besser gehalten hat und nur geringe Verluste verkraften musste. […] Beginnend mit der Flurbereinigung wurden Flächen zusammengelegt und »störende« Strukturen wie Kleingewässer, Streuobstwiesen, Hecken oder einzelne Bäume entfernt. […] Die Überdüngung mindert die Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen und sorgt dafür, dass Gräser zu schnell für viele Wiesenbrüter wachsen.

Gegen Ende des Artikels wird die britische Hope Farm verlinkt. (Diese gibt übrigens ein deutliches Wachstum der Vogelzahlen seit 2000 an.) Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass konventionelle Landwirtschaft und Naturschutz zusammen funktionieren können.

Siehe auch: Kernbeißer, Weltbienenrat.