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Christen fuddeln fett

Ich bin heute über die Losung gestolpert. Nach dem gelosten Vers aus dem Alten Testament („Ich bin dein, hilf mir!„) und dem dazu passend ausgewählten Vers aus dem Neuen Testament („Jesus spricht: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.„) wird da Sophie Scholl zitiert:

Wie ein dürrer Sand ist meine Seele, wenn ich zu dir beten möchte. Mein Gott, verwandle du diesen Boden in eine gute Erde, damit dein Samen nicht umsonst in sie falle, wenigstens lasse auf ihr die Sehnsucht wachsen nach dir, ihrem Schöpfer. Ich bitte dich von ganzem Herzen, zu dir rufe ich.

Weil mich die Formulierung mit der Seele als dürren Sand berührt hat, habe ich dann ein wenig nach den Umständen gesucht, in welchen sie das aufgeschrieben hat und bin auf den herder-Verlag gestoßen. Dort ist ein Artikel aus der Zeitschrift Christ in der Gegenwart veröffentlicht: Widerstand gegen Hitler – Die letzten Gebete der Weißen Rose. Darin wird über Sophie Scholl unter der Überschrift Trotzdem rufe ich „Du“ erzählt, dass sie Gott direkt ansprechen müsse, zum Beispiel in einem Eintrag vom 15. Juli 1942:

Wie ein dürrer Sand ist meine Seele, wenn ich zu Dir beten möchte, nichts anderes fühlend als ihre eigene Unfruchtbarkeit. Mein Gott, verwandle Du diesen Boden in eine gute Erde, damit Dein Same nicht umsonst in sie falle, wenigstens lasse auf ihr die Sehnsucht wachsen nach Dir, ihrem Schöpfer, den ich so oft nicht mehr sehen will. – Ich bitte Dich von ganzem Herzen, zu Dir rufe ich, […]

Das liest sich anders, ehrlicher und eher wie etwas, das ich schonmal in einem etwas anderen Zusammenhang erwähnt habe. Navid Kermani zitiert im Kapitel Die Schoa aus Jossel Rakovers Wendung zu Gott:

[Gott Israels,] Du aber tust alles, daß ich an dich nicht glauben soll. […] es wird Dir alles nichts nützen. Magst Du mich auch beleidigen, magst Du mich auch schlagen, magst Du mir auch wegnehmen das Teuerste und Beste, das ich hab‘ auf dieser Welt, magst Du mich zu Tode peinigen – ich werde immer an Dich glauben. Ich werde Dich immer liebhaben, immer Dich, Dich allein, Dir zum Trotz!

Was hier die Herrnhuter Brüdergemeinde mit Sophie Scholls Gebet gemacht haben, erinnert mich an das, was ich über das Buch Hiob mal irgendwo gelesen habe. Es gibt die Vermutung, dass es nicht einen Verfasser des Buches gegeben hat, sondern mindestens zwei im Abstand mehrerer Jahrhunderte. Dafür spreche, wenn ich mich richtig erinnere, dass die Zahl „3“ wesentliches Gestaltungselement darin sei und plötzlich ein vierter Freund auftaucht, und auch das zum Rest wenig passende Ende, die Rehabilitierung Hiobs, nachträglich eingearbeitet wurden.

Das macht durchaus Sinn, wie ich finde: Hiob besuchen drei Freunde, die ihm entgegenreden, er müsse etwas falsch gemacht haben, sonst hätte Gott sich nicht gegen ihn gewendet. Diesen  Reden widerspricht Hiob jeweils und klagt Gott an. Dann taucht auf einmal ein vierter Freund auf, der nocheinmals Gott verteidigt. Dem Vierten antwortet Hiob nicht. Als schließlich Gott im Sturm erscheint, nimmt Gott Hiob in Schutz, widerspricht seinen drei Freunden, was die denn seinen Diener Hiob so angingen, und weist gleichzeitig Hiob wiederum zurecht: Er wolle die Weisheit dessen in Frage stellen der alles erschaffen hat, zum Beispiel Behemot und Leviathan? („Wo warst du, als ich die Erde erschuf?„) Das Buch Hiob endet damit, dass Hiob einsieht, dass er gegen Gottes Weisheit nicht bestehen kann. Schließlich wird Hiob belohnt mit mehr Besitz und schöneren Töchtern als vorher. Und er stirbt alt und lebenssatt. Yeah.

Allgemeinhin wird aus dem Buch Hiob, glaube ich, die Lehre gezogen, man müsse nur standhaft genug in der Prüfung mittels Lebensleids sein, das Gott uns auferlege, dann würde man belohnt. Ich lese da eher rein, dass es Lebenssituationen gibt, in denen Gott anzuklagen die einzige Möglichkeit ist, den Glauben an ihn aufrechtzuerhalten. Und dieses Lebensleid auszuklammern, wie es die Herrnhuter in dem heutigen Losungstext andeutungsweise gemacht haben, ist nicht in Ordnung.