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Schlagwort: Gewalt

Projekt Pranger

Telegram has a serious doxing problem: Die Messaging-Plattform Telegram wird in verschiedenen Teilen der Welt verwendet, um private Informationen von Personen publik werden zu lassen, so genanntes Doxing. So zum Beispiel auch im Ukraine-Krieg, sowohl von ukrainischer („Ukrainians have been using Telegram to release the private information of Russian soldiers, politicians, and alleged collaborators and spies“) als auch von russischer Seite, da unter dem unheilvoll klingenden Namen Project Nemesis.

Project Nemesis includes a website publishing the photographs and personal details of hundreds of individuals fighting on behalf of Ukraine, including birth dates, addresses, telephone numbers, passport numbers, personal social media profiles and more. It also incorporates a Telegram channel which posts multiple times a day, highlighting particular individuals who have been doxxed on the site and encouraging their thousands of followers to mock or harass them. As of early June 2022, there are also indications of an effective media strategy to amplify Project Nemesis and further its goals.

isdglobal.org

Auf der Suche nach Project Nemesis bin ich dann auch auf eine Seite gestoßen, die unter diesem Namen eine vermeintliche zionistische Weltverschwörung aufzeigen will, quasi mittels öffentlich zugänglichen Quellen die Personen doxen will:

While it is widely known that organisations such as BDS and Hamas and countries such as Russia and Iran engage in both anti-Zionism and antisemitism, the identity of those behind Project Nemesis is hidden behind digital walls.

isgap.org

Der Pranger ist zurück, falls er denn je weg war.

Die Welt in 100 Jahren

Während wir gerade innerhalb kurzer Zeit wiederholt Zeitzeugen werden (fühlt sich nicht so gut an, wie es klingt), hat Anne an der Straße ein Buch gefunden und mir mitgebracht: Die Welt in 100 Jahren. Es handelt sich um eine Neuauflage eines Buches aus dem Jahr 1910. Zwei Passagen sind mir aufgefallen.

In einem Beitrag mit dem Titel Das 1000 jährige Reich der Maschinen blickt Hudson Maxim 4 Jahre vor Ausbruch des 1. Weltkrieges in dem Abschnitt Was können wir prophezeien? selbstgewiss in die Zukunft:

Es gibt mancherlei, was wir trotz unserer Unzulänglichkeit bis zu einem gewissen Grade sicher voraussagen können. […] [Die Gegenwart] ist eine wissenschaftliche Epoche und eine Periode materieller Vollendung; ihr aber wird eine soziologische Zeit folgen, eine Aera der ethischen und philosophischen Vollendung und der Entwicklung einer höheren psychischen Kultur – kurz eine Reife der geistigen und moralischen Eigenschaften, die zu höchster Blüte gelangen werden.

Schon in der gegenwärtigen Zeit stehen wir, vom menschlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, auf einer ganz beträchtlich höheren Stufe als die Alten. In den alten Zeiten gab es keine Anerkennung von Dingen, wie beispielsweise unsere unveräußerlichen Menschenrechte es sind; und ein Volk, in dessen Macht es stand, ein anderes mit Erfolg zu berauben oder zu unterjochen, hielt es für eine Dummheit, ja für eine Schmach, es nicht zu tun und es nicht zu berauben und nicht in die Sklaverei zu schleppen. […]

Eine der größten Segnungen der modernen Zivilisation ist aber die Erweiterung der menschlichen Nutzbarkeit. Und man würde es heutzutage nicht nur als Grausamkeit, sondern geradezu als eine unverantwortliche Verschwendung an Menschenleben ansehen, wenn jemand über ein benachbartes Volk herfallen und es bis auf den letzten Mann niedermetzeln wollte.

Es ist eben glücklicherweise ein wachsendes Verständnis dafür da, daß die Welt, die wir bewohnen, nur ein einziges großes, einheitliches Vaterland ist. Der Patriotismus wagt sich jetzt schon über die nationalen Grenzlinien hinaus. Ein zunehmender Geist internationaler Verbrüderung ist vorhanden […].

Ein weiter Beitrag ist von Robert Sloss: Das drahtlose Jahrhundert. Im Abschnitt Das Ende von Raum und Zeit stellt er sich die Zukunft u.a. so vor:

Es wird keine Zeit und keine Entfernung mehr geben, und einer Katastrophe wie der jüngsten von Messina und Kalabrien werden wir alle beiwohnen können, sicher in unserem Hause sitzend, wo immer dieses auch steht. Wir werden einfach auf drahtlosem Wege uns mit der Unglücksstätte verbinden lassen, und wer an dem Anblick allein nicht genug hat, sondern die Sensation furchtbarer Art ganz wird auskosten wollen, der wird, wenn er will, auch das Angstgewimmer der Leute, das Verröcheln der Sterbenden und die Schreie der Hungrigen und die Flüche der Irrsinnigen hören. Jedes Ereignis werden wir so mitmachen können.

Zu seinem Beitrag wurde diese Zeichnung von Ernst Lübbert veröffentlicht. Ich finde sie ganz spannend. Die 4 Grazien tanzen wie Satelliten einen geisterhaften Beschwörungstanz um die Erde:

Laut Wikipedia wurde Ernst Lübbert zu Beginn des Ersten Weltkriegs einberufen und trat „von patriotischen Gefühlen erfüllt“ im August 1914 den Dienst an. Ein Jahr später kam er in Hrodna, im heutigen Belarus durch einen Bauchschuss ums Leben.

Kingdome Come

Lese gerade J. G. Ballards Das Reich kommt von 2006 und bin von seiner Weitsicht beeindruckt, wenn er über die Masse schreibt:

Sie wussten, dass sie angelogen wurden, doch wenn die Lügen hinreichend schlüssig waren, dann definierten sie sich als glaubhafte Alternative zur Wahrheit. Emotionen beherrschten nahezu alles, und Lügen wurden von Emotionen angetrieben, die vertraut und hilfreich waren, wohingegen die Wahrheit harte Kanten hatte, die schnitten und schrammten.

Trauma

Mich hat A Beautiful Day ziemlich begeistert. Die Kameraästhetik und die Schauspielleistung von Joaquin Phoenix haben mich beeindruckt. Die Nahaufnahmen von scheinbar nebensächlichen Details habe ich so verstanden, dass sie den Blick der traumatisierten Hauptfigur widerspiegeln, die sich selbst kaum noch spürt und jeden Tag ums Überleben kämpft. Ich habe nicht verstanden, warum manch einer im Publikum bei der ein oder anderen brutalen Szene gelacht hat. Ist das der Tarrantinoisierung des Publikums geschuldet? Ich habe jedenfalls keinen schwarzen oder skurrilen Humor entdecken können. Nur zwei schwer traumatisierte Menschen, die einander helfen.

Real existierende Gegenwart

Ich habe vorhin eine Mail von der britischen NGO Syria Campaign erhalten, die laut SPON gegen (russische) Desinformation aufklärt:

Dear Ole,

When Syrians first took to the streets in peaceful protest in 2011 no-one could have predicted the horrific price history would hand them. This weekend saw further unimaginable suffering as 42 civilians were killed by chemical weapons as they sheltered from airstrikes in basements.

Douma, the site of the attack, was once the beating heart of the revolution. Now it is the last opposition area in the Damascus suburbs. For the past five years, it has been under a crippling siege and subjected to unending aerial attacks as the Syrian regime tried to force the civilians there to “submit” to its rule. Some civilians have left since the attack and others wait to hear their fate as negotiations between Russia and the Army of Islam fighters that control the area hold negotiations with zero regard for civilians.

How the international community should respond to the attack is the subject of fierce debate. So after much discussion with Syrian activists and humanitarians, here’s eight things you should know:

1) After World War Two, the international community came together to agree norms and institutions in a pledge of “never again”. The Assad regime, and its allies Russia and Iran, have violated those norms, committing daily war crimes against the civilian population: indiscriminate bombing of civilian areas causing mass displacement of people, chemical weapons repeatedly deployed on residential areas, the use of collective punishment through starvation sieges and the large-scale use of torture and detention. The failure of the international community to act to protect civilians has emboldened Assad and his allies and made so many of us ashamed to be part of the “international community”.

2) Knowing this reality Syrian humanitarians and peace activists have called for years for real, international action to stop the bombs.

3) Forty-four days ago, the UN Security Council passed a resolution for a ceasefire in Eastern Ghouta. Since then, more than a 1,500 civilians have been killed in the Damascus suburb. Hundreds of thousands have been forcibly displaced – another war crime.

4) One thousand six hundred and fifty five days ago, the UN Security Council passed a resolution demanding the Assad regime surrender all its chemical weapons and programs related to their development.

5) One thousand five hundred and seven days ago, the UN Security Council passed a resolution banning the use of barrel bombs that were used in Saturday’s attack.  

6) Seven hundred and sixty four days ago, the UN Security Council reiterated its commitment to resolution 2118, saying it would take further measures, including the possibility of military force, if chlorine gas was used again in Syria. More than 100 attacks using chlorine have been documented since then.

7) Condemnations are being made by European and American leaders but, as they know, and as the history above shows, words without enforcement are meaningless. So it’s worth restating the possible: under their own resolutions, the UN Security Council could use force in line with international humanitarian law. Hitting military targets could ground the air forces that have been the biggest of killers of civilians in Syria. Short of this they could also impose real sanctions on Russia and refuse to push reconstruction funding through the Assad regime and its cronies.

8) Today the UN Security Council will meet to discuss the situation. I hope they stand by their own resolutions and prove to us that a world where Syrian children are not gassed to death is possible. For what is the alternative?

Lots of international players are declaring the war in Syria as “over”. This analysis ignores the more than two million civilians living in opposition-held Idlib and more than one million more in Homs, Daraa, rural Aleppo and other parts of the country. If the Douma attack is not met with consequences, it is yet another green light for thousands more to be killed using poison gas and explosive weapons.

When we see such horror we all feel hopeless. The most tempting thing to do is to turn away but Syria’s democrats and peacemakers need us now more than ever. So please stand with them in their demand for real, international action to stop the bombs.

In solidarity,

Anna

Das Maß der Betroffenheit

Meine Gedanken zur G20gipfeleskalationsdiskussion:

Ich habe das auch an Wolfgang Bosbach gerichtet, weil ich das hier gelesen habe: Bosbach verlässt Studio – Bei G20 eskaliert sogar der Maischberger-Talk. Blöd ist, dass ich erst hinterher gelesen habe, dass ich nicht Wolfgang Bosbach geschrieben habe, sondern einem 19jährigen Jungunionler. Soviel zu meiner Social-Media-Kompetenz
Ich habe selbst die Sendung nicht geseehen. Außer auf Phönix kann man sich nämlich kaum Talkshows anschauen, die nicht eskalieren. Dabei ist doch die einzige Gewalt, die wir akzeptieren sollten, der zwanglose Zwang des besseren Arguments.

Mein Eindruck ist, dass es in unserer Gesellschaft hysterisch zugeht, sobald Ordnung und Besitz in Gefahr geraten. (Dabei ist doch eh alles eitel, sagt der Prediger (Jak 4,14). Die Fokussierung auf den Materialismus ist übrigens meine Hauptkritik an der Linken.) Wirklich schlimm finde ich, dass die öffentliche Empörung so viel größer zu sein scheint als bei vielen empörungswürdigen Ereignissen in den vergangenen Jahren, bei denen auch Menschen hier in unserer Gesellschaft direkt zu Schaden kamen. Die Betroffenheit scheint bei den NSU-Taten nicht allzu groß zu sein. Ich erinnere mich daran, dass ein Freund mal mit seinen Schülern als Projekt eine improvisierte Gedenkwand für die Opfer gemacht hat – und dafür in seiner Schule ziemlich viel Kritik hat einstecken müssen.

Mit dem Maß der Betroffenheit die Ereignisse zu bewerten ist dann problematisch, wenn man nicht mal mehr den eigenen Tellerrand sieht. Dabei sollte es bei der G20-Diskussion doch eigentlich darum gehen: Aufarbeitung von G20 – Die Verweigerung der Demokratie.

„Meine elende Freiheit“

Bin durch nen Freund auf Spaceman Spiff gekommen. Seine Musik gefällt mir gut. Auf Bandcamp gibt es sein „Ich mach Pause“-Abschieds-Lied Norden gegen eine freiwillige Spende an Pro Asyl ab 0€, daher nicht umsonst. Finde ich das gut? Keine Ahnung. Gut finde ich in diesem entfernten Zusammenhang, was das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus aus aktuellem Anlass schreibt: Zu den Terroranschlägen in Paris. Nicht so gut finde ich – scheinbar zusammenhangslos -, dass Herrenmagazin am Freitag bei ihrem unterhaltsamen Auftritt im Schlachthof in Wiesbaden nicht Der langsame Tod eines sehr großen Tieres gespielt haben. Ziemlich schrecklich finde ich die Vorstellung, auf die mich besagter Freund gebracht hat: Während ich auf dem Konzert war, sind im Bataclan Menschen beim Musikhören umgebracht worden. Auch wenn Eagles of Death Metal wohl kaum ein zufällig ausgewähltes Anschlagsziel war, ist mir dieser Gedanke etwas unheimlich. Trotzdem habe ich heute nach Konzertterminen von Spaceman Spiff geschaut – und bin dabei auf Norden gestoßen.

 

 

District 9

Hab gestern den viel gelobten Film District 9 gesehen. Das Einzige, was mir gefallen hat, war, dass die Apartheid und die damit verbunden Zwangsumsiedlung von Schwarzen thematisiert wurde. Darüber hinaus war die Geschichte doch irgendwie schwach. Die Hauptfigur (der Mutant) war wenig nachvollziehbar, weil er zunächst feige und opportunistisch, dann mutig und entschlossen (bei der Stürmung der MNU-Zentrale) und dann wieder feige, als er seinen Alien-Freund im Stich lässt und dann wieder doch nicht, weil er sich für das Gute entscheidet und bereit ist, heldenhaft zu sterben. Die Einsicht des Charakters, wie richtiges Handeln ausschaut, findet also zwei Mal statt und das ist doch wenig glaubwürdig. Abgesehen davon war die Kamera zu Beginn im Live-Doku-Style, später dann immer noch ein bisschen, ohne dass es eine Dokumentation sein konnte. Und schließlich macht es keinen Sinn, dass die Aliens einersteits ein bisschen als führungsloser Arbeiterstaat – wie Ameisen oder Bienen, nur eben ohne Schwarmintelligenz – dargestellt werden, (vermutlich um die Selbstaufgabe im Slum-Leben und die Nichtbenutzung der Alien-Waffen zu rechtfertigen,) andererseits aber individuelle Charaktere sein sollen, die alles für ihren Nachwuchs tun und über einen langen Zeitraum an einem Fluchtplan tüfteln.

Aber vielleicht war ich auch nach bestandenem 2. Staatsexamen einfach nicht in Stimmung, einen Dystopie-Film zu schauen.

Im Schwitzkasten des Zeitdrucks

Neulich wurde auf dem Geburtstag meines Vaters ein Gespräch über die schwierigen Bedingungen, unter denen Lieferfahrer arbeiten müssen, geführt. Vor allen Dingen der Zeitdruck könne dabei an so manchem Nervenkostüm nagen, so der Einblick von Betroffenen. Durch das Gespräch fühlte ich mich an einen Vorfall erinnert, in den ich vor ein bis zwei Jahren verwickelt war:

Reale Virtualität

Wollte nur mal eben schnell auf das schon seit Wochen durchs Netz schwirrende Aufklärungs-Video, veröffentlicht von WikiLeaks.org, Bezug nehmen: Collateral Murder. Wenngleich ich ohne Frage zustimme, dass unabhängige Medien wichtig sind, so will ich doch darauf hinweisen, was ich vor über einem Jahr bezüglich Call of Duty 4 geschrieben habe:

Die Grenzen zwischen virtuell und real verschwimmen, wenn die einzige Unterscheidungsmöglichkeit die Quelle wird, woher wir die Bilder empfangen.

WikiLeaks funktioniert ja nur dadurch, dass die Informanten anonym bleiben, wie man im Disclaimer nachlesen kann. Das ist ja nicht nur gut sondern auch notwendig für einen Journalismus, der eine Alternative zu den etablierten und womöglich schon zu sehr eingeschliffenen Medien sein will. Allerdings bleibt dann die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Quelle unbeantwortbar, es sei denn, man begnügt sich mit WikiLeaks als Quelle der Glaubwürdigkeit. Es wird eben nur dann gefährlich, wenn man die Informationen nicht eindeutig als virtuell oder real bestimmen kann.

Die Fremde

Ich komme gerade aus einem guten Film: Die Fremde. (Gesehen im Traumstern-Kino in Lich, das ich seit etwa fünf Jahren irgendwie vergessen habe.) Neben den durchweg überzeugenden Schauspielern – sogar der kleine Junge hat mich überzeugt, wenngleich manche seiner Wortbeiträge schon sehr gewählt waren – hat mir besonders die Musik gefallen. Aber es ist natürlich klar, dass die Sache mit der Ehre kein allein türkisches Problem ist. Trotzdem hatte man einen das Gefühl, eine ehrliche Geschichte zu erleben.

Für mich auf jeden Fall Grund genug, öfter ins Traumstern-Kino zu gehen. Außerdem haben die da ein tolles afrikanisches Restauraunt dran angeschlossen…

Afghalingrad

Schaue grade die Wiederholung der Diskussionsrunde Maybritt Illner vom Donnerstag. Bitter finde ich ein Statement eines Soldaten, der als Außenstehender der Runde zwischenzeitig kurz und knackig befragt wurde. Auf die Frage, ob er Oberst Klein und den Luftangriff auf die Tanklaster unterstütze, antwortete er, dass die Soldaten vor Ort der Ansicht seien, dass es gut sei, dass endlich jemand mal etwas getan habe. Die Opferzahlen der Zivilisten seien zwar bedauerlich, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dabei auch viele hochrangige Taliban getötet worden seien, gehe der Angriff in Ordnung. Schließlich befände man sich im Krieg und im Krieg gebe es weltweit gesehen viele unschuldige Opfer.

Ich finde die Substanz dieser Aussage, die sicherlich nicht einsam in der deutschen Öffentlichkeit zu finden wäre, wenngleich ich diese Meinung nicht allen Soldaten damit unterstelle, sehr bedenklich. Daraus folgen nämlich mehrere Punkte:
1. Deutschland befindet sich im Rahmen der NATO in Afghanistan im Krieg gegen das ehemalige Regime Afghanistans (Taliban). (Auch wenn man nicht wirklich von Regime reden kann, weil die Macht wohl nicht wirklich zentral exisiterte. Vielleicht wäre treffender an eine die Bevölkerung unterdrückende Bewegung zu denken.)
2. Das Ziel dieses Krieges ist die Vernichtung der Anhänger dieses ehemaligen Regimes – auch unter der Inkaufnahme unschuldiger Opfer.
3. Das Ziel dieses Krieges ist nicht die Stärkung des zivilen Aufbaus eines entwicklungsbedürftigen Landes.

Daraus folgt entweder, dass der deutsche Souverän einen falschen Auftrag an die Bundeswehr gegeben hat, oder, dass die Bundeswehr ihr eigentliches Mandat nicht erfüllt, nicht erfüllen kann. Selbst wenn auch noch Guttenberg zurücktreten würde, wäre damit immer noch nicht geklärt, mit welchen Zielen sich Deutschland in Afghanistan am Kriegseinsatz beteiligt. Ich denke, das ist der Kern der ganzen Diskussion.

Persönlich weiß ich nicht, wie ich dazu stehe. Schließlich kann man es sich so oder so zu einfach machen. So übrigens auch:

Lieber Herr Möller, kamen Sie sich ale „Gladiator“ nicht manchmal komisch vor in Kabul. Ein Filmheld unter lauter echten Helden?

ich war froh mal unter echten helden zu sein, denn was die soldaten dort unten leisten und unter welchem einsatz , nähmlich unter dem einsatz ihres lebens kann man nur würdigen. was ich den soladten mitgeteilt habe, und was ich ihnen gegeben habe, waren fitnessgeräte

Dann lieber ehrlich.

PS: Meine Hauptschüler sagen immer: „Wer ’nämlich‘ mit ‚h‘ schreibt, ist dämlich.“

Ein beunruhigendes Video

Zuerst der Hinweis, später vielleicht mehr.

UPDATE:
Auf Spiegel ist jetzt noch ein Artikel dazu erschienen, in dem auch die verschiedenen Quellen ganz gut aufgelistet sind.

Ich  war ja schon das ein oder andere Mal auf verschiedenen Demonstrationen in Gießen, Mannheim, Frankfurt und einmal auch in Wiesbaden. Dort war damals die Dingfestmachung der Studiengebühren im hessischen Landtag (=3. Lesung), wo ein Freund und ich es tatsächlich geschafft hatten, unter Personenschutz durch die Polizei innerhalb der Bannmeile einen Kaffee bei Starbucks zu trinken – während eine mittelgroße Gruppe von Studierenden um die Bannmeile herum demonstrieren ging. Als der Demo-Zug sich näherte, bekamen es die Polizisten ein bisschen mit der Angst zu tun, die Horde würde zu uns stoßen wollen, sodass wir angehalten wurden, den Kaffee schneller zu trinken…

Naja, noch ne halbe Stunde vorher, als der Demotrupp noch an einem Eingang zur Bannmeile Krawall gespielt hat (sie waren nur laut und haben irgendwelche Sachen gerufen und ein bisschen am Metallzaun gerüttelt), waren hinter der Eisengitter-Absperrung einige Polizisten postiert, sowohl zur Abschreckung aber auch bereit für den Ernstfall, wie auch immer der ausgesehen hätte. Dabei war ein Hund mit seinem Führer, beide gingen hinter der in einer Reihe am Zaun postierten Beamten entlang, als der Hund auf einmal austickte und eine Polizistin ansprang und biss – ich glaube, zum Glück nur in die schwere Uniform, zumindest war es eher Schrecken und weniger Schmerz, der im Gesicht der Frau zu lesen waren. Jedenfalls ist der Hund einfach so ausgetickt, war wohl mit der Lautstärke zu stressig, was ich ja verstehen kann.
Was ich nicht verstehe ist, warum die Polizei Hunde mit auf Demos nimmt, auch wenn es ausgebildete Hunde sind.
Ein weiteres Beispiel war in Gießen, als der Demonstrationszug tendenziös Richtung Autobahn marschierte. Eine Hundertschaft riegelte die entscheidende Kreuzung mittels einer spontanen Beamen-Kette ab. Ein Hundeführer ging mit seinem Hund quer zur Reihe. Er hat den Hund ganz klar zur Abschreckung vor der Absperrung „spazieren geführt“, ein Demonstrationsteilnehmer wäre dabei beinahe gebissen worden, weil der Führer den Hund nur schwer unter Kontrolle halten konnte.
Beide Situationen waren vermeidbar, die letzte unverantwortlich. Gerade in solch hitzigen Momenten wie Massenaufläufen ist es wichtig, die Kontrolle über sein Verhalten zu bewahren.

Der ins Gesicht schlagende Polizist hatte die Kontrolle offenbar nicht. Sein Verhalten hat mich stark an das eines Hundes erinnert, dem der ganze Krach und die vielen Menschen einfach zu viel werden und austickt. Jetzt suggeriert der Spiegel-Artikel, der Demoteilnehmer sei zusammengeschlagen worden, weil sich einzelne Polizisten von einer möglichen Anzeige bedroht gefühlt hätten. Das würde bedeuten, dass die sich den Typen aus Berechnung geschnappt hätten. Ich glaube aber, da ist einfach jemand ausgetickt, weil es ihm zu viel wurde, weil der Typ den Anweisungen nicht genau Folge geleistet hat oder warum auch immer. Zum Glück waren die Demonstranten dort scheinbar nicht gewaltbereit, sonst wäre das womöglich böse ausgegangen.

PS: Ich bin ja mal gespannt, wie viele Leute die Piraten am 27.09. wählen…

Zur Afghanistan-Diskussion

Ihr sagt zwar Menschlichkeit, meint aber Macht. Denn ihr greift nicht zufällig da ein, wo’s euch machtpolitisch behagt. In einigen Teilen der Welt sind euch Menschenrechtsverletzungen egal, an wirtschaftlich oder strategisch bedeutsamen Stellen seid ihr auf einmal dabei.

Ich denke, dieser Ausschnitt aus einem Interview mit Christoph Kampmann in der FR ist der entscheidende Punkt für eine Diskussion, ob der Afghanistan-Krieg richtig ist oder notwendig – erst recht nach dem zweifelhaften Bombardement zur Verhinderung eines Anschlags. (Interessanterweise ist hier in manchem journalistischen Beitrag derzeit das Interesse an der unheitlichen Bewertung des Vorgangs innerhalb der NATO größer als an der Frage nach dem richtigen Handeln.) Die weiterführende Frage lautet: Ist die Tatsache, dass an vielen anderen Stellen der Welt weggeschaut wird und in Afghanistan nur zweitrangig humanitäre Beweggründe eine Rolle spielen, ein Argument, Afghanistan sich selbst zu überlassen? (Erst danach sollte man sich übrigens mit der Frage beschäftigen, ob der Krieg überhaupt noch zu gewinnen ist.)

Demokratie

Während ich gerade Hart aber Fair schaue mit Lafontaine, Gabriel, Künast, Westerwelle und Koch (von links nach rechts), kommt mir so der Gedanke, dass sich in den nächsten, sagen wir zehn Jahren eine Entwicklung auftun könnte, die den bisschen demokratischen Prinzipien in Deutschland schaden könnte: Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland sich in der parlamentarischen Demokratie immer weniger wiederfinden werden. Die einzigen, die derzeit wissen, welche Partei sie wählen werden, sind die auf Seiten des „bürgerlichen Lagers“ (was ein hässlicher Begriff, schließlich kann jeder Bürger wählen und nicht nur diejenigen sind Bürger, die FDP oder CDU/CSU wählen). Wenn sich dieser Koalition in der nächsten Legislatur durchsetzt und ihre Wahlprogramme weitestgehend umsetzen werden, wird sich das, was sich momentan schon an Protestpotenzial in Parteien wie der Linken wiederfindet, noch stärker ausbilden, ohne allerdings von Parteien wirklich eingebunden werden zu können. Sprich: Bei einer schwarz-gelben Koalition wird sich der Protest (=gesellschaftliche Spaltung) radikalisieren. Und was dann bei der nächsten Bundestagswahl bei rauskommt, möchte ich nicht mutmaßen.

PS: Ich bin ja gespannt, wie stark die Piraten-Partei wird, die dort, wo sie inhaltlich wird, interessante Ansätze verfolgt. Vielleicht hat sie gerade wegen ihrer Aussagelosigkeit zu vielen gesellschaftlichen Themen (Wirtschaft, Arbeit, Umwelt…) eine große Chance, die Volkspartei der Zukunft zu werden…

Ahmadinedschad

Ein geiles Bild … und umso ausdrucksstärker, wenn man den Rahmen miteinbezieht:
Am Freitag sind im Iran Präsidentschaftswahlen. Ob es da wirklich eng für Ahmadinedschad wird, weiß ich nicht, glaube ich zumindest nicht.
In diesem Zusammenhang ist aber vor allem Obamas Besuch von Buchenwald (mit einer beeindruckenden Rede von Eli Wiesel) sowie seiner (traditionellen) Teilnahme an den Feierlichkeiten zum D-Day zu sehen. Kurz zuvor in Kairo zur „islamischen Welt“ gesprochen und von mehr Welten beachtet, ist die Geschichte, die Identiät dieses Präsidenten das, was am deutlichsten gegen den Holocaust-Leugner* Ahmadinedschad steht.
Und Eli Wiesel formuliert am besten:

Erinnerung muss die Menschen zusammenbringen, statt sie zu trennen.

NACHTRAG zum Ausgang der Wahl („Ich habe Ahmadi gewählt, aber dieses Resultat kann einfach nicht stimmen„):

… Doch dann laufen die Menschen plötzlich auseinander: Die gefürchtete Revolutionsgarde fährt mit Motocross-Rädern in die Menge, rammt Menschen, die Männer treten um sich. Polizei zu Fuß knüppelt wahllos auf Unbewaffnete ein. Eine alte Frau wird von Uniformierten zu Boden geschlagen.


*Eine Fußnote: Was genau der Begriff „Holocaust-Leugner“ bedeutet, lässt sich am besten aus diesem Ausschnitt eines Spiegel-Interviews vom 11.04. 2009 herauslesen:

SPIEGEL: Sie sprechen von Israel, einem seit vielen Jahrzehnten weltweit anerkannten Uno-Mitgliedsstaat. Was machen Sie eigentlich, wenn eine Mehrheit der Palästinenser für eine Zweistaatenlösung votiert, also das Existenzrecht Israels anerkennt?

Ahmadinedschad: Sollten sie sich dafür entscheiden, müssen alle diese Entscheidung akzeptieren …

SPIEGEL: … dann müssten auch Sie Israel anerkennen. Einen Staat, den Sie laut früheren Aussagen „von der Landkarte löschen“ wollen. Sagen Sie uns doch, was Sie wirklich gesagt und wie Sie es gemeint haben.

Ahmadinedschad: Lassen Sie es mich scherzhaft so formulieren: Warum haben die Deutschen damals so viel Unruhe gestiftet, dass es überhaupt zu diesen Problemen gekommen ist? Das zionistische Regime ist das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs. Was hat das alles mit dem palästinensischen Volk zu tun? Was mit der Region Nahost? Ich glaube, man muss das Problem an der Wurzel packen. Wenn man die Ursachen nicht berücksichtigt, gibt es auch keine Lösung.

SPIEGEL: Heißt „an der Wurzel packen“ Israel auslöschen?

Ahmadinedschad: Es bedeutet, die Rechte des palästinensischen Volkes einzufordern. Ich denke, das ist zum Vorteil aller, Amerikas, Europas und auch Deutschlands. Aber wollten wir nicht noch über Deutschland und die deutsch-iranischen Beziehungen sprechen?

SPIEGEL: Darüber sprechen wir doch schon. Dass Sie das Existenzrecht Israels leugnen, ist von entscheidender Bedeutung für die deutsch-iranischen Beziehungen.

Ahmadinedschad: Glauben Sie, dass das deutsche Volk auf der Seite des zionistischen Regimes steht? Glauben Sie, dass dazu eine Volksbefragung in Deutschland durchgeführt werden könnte? Falls Sie so ein Referendum zulassen, werden Sie feststellen, dass das deutsche Volk das zionistische Regime hasst.

SPIEGEL: Wir sind sicher, dass das nicht so ist.

Ahmadinedschad: Ich glaube nicht, dass die europäischen Länder die gleiche Nachsicht gezeigt hätten, wenn auch nur ein Hundertstel der Verbrechen, die das zionistische Regime in Gaza begangen hat, irgendwo in Europa passiert wären. Warum bloß unterstützen die europäischen Regierungen dieses Regime? Ich habe Ihnen das schon einmal zu erklären versucht …

SPIEGEL: … als wir vor drei Jahren über Ihre Leugnung des Holocaust gestritten haben. Wir haben Ihnen nach dem Gespräch einen Film von SPIEGEL TV über die Judenvernichtung im Dritten Reich geschickt. Haben Sie diese DVD über den Holocaust erhalten, haben Sie sich den Film angesehen?

Ahmadinedschad: Ja, ich habe die DVD erhalten. Aber ich wollte Ihnen darauf nicht antworten. Ich glaube, für das deutsche Volk ist der Streit um den Holocaust kein Thema. Das Problem liegt tiefer. Im Übrigen: Noch einmal vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Sie sind Deutsche, wir schätzen die Deutschen sehr

Es geht dann auch noch interessant weiter:

SPIEGEL: Am 12. Juni ist in Iran Präsidentschaftswahl. Sie gelten als Favorit. Werden Sie gewinnen?

Ahmadinedschad: Warten wir’s ab, neun Wochen sind eine lange Zeit. In unserem Land gibt es keine Gewinner und damit auch keine wirklichen Verlierer.

SPIEGEL: Werden Sie im Falle Ihrer Wiederwahl der erste Präsident der Islamischen Republik Iran sein, der einem amerikanischen Präsidenten die Hand gibt?

Ahmadinedschad: Was meinen Sie?

SPIEGEL: Herr Präsident, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Die Passion Christi

Ich war gestern bei einer Filmvorführung in der FEG in Wissenbach, wo anlässlich der jetzigen Feiertage der Film „Die Passion Christi“ gezeigt wurde (mit offiziell lizenzierten Vorführrechten, wie der Veranstalter nicht müde wurde zu betonen – wobei ich immer gedacht hatte, wenn man das nicht kommerziell macht sondern quasi vereinsintern, braucht man dafür keine Lizenz, aber: ich scheine mich geirrt zu haben; oder zählt ein Vereinshaus zu den eigenen vier Wänden?).
Auf jeden Fall hatte ich den Film noch nicht gesehen – war eigentlich nie so scharf drauf – und dachte mir, dass ich das ja jetzt mal nachholen könnte. Ich muss zugeben, dass ich schon vorurteilsbeladen in den Film gegangen bin, sowohl weil man mich wohl als Christ bezeichnen könnte als auch weil ich wenig von Versuchen halte, inneren Wahrheiten eine (scheinbar unabänderliche) äußere Gestalt zu geben.

Und so fand ich den Film dann auch wirklich nicht gut. Was teilweise an Gewaltdarstellungen zu sehen war, war tatsächlich schon krass, aber mir haben sich dann doch auch einfach Details aufgedrängt wie der faltenwerfende Latexüberzug, auf dem die Maske die Wunden des Jesus-Darstellers anfertigen konnte. Sah man stellenweise halt einfach. Auch der Szene, in der er von diesen fiesen, sadistischen römischen Soldaten ausgepeitscht wird mit dieser Peitsche mit Widerhaken, die sich in seine Seite bohren und Fleischfetzen herausreißen, sah man deutlich die Computeranimiertheit an. Es ist halt doch nur irgendwie ein Film, der sich den Kriterien der Filmtechnik unterwerfen muss, auch wenn er etwas Heiliges thematisieren möchte.

Krasser in dem Zusammenhang der Gewaltdarstellung war für mich übrigens das Ausufernde, in dem das Ganze dargestellt wurde. Es war die ganze Zeit der Zeigefinger der Moral zu spüren, der mir sagen wollte: „Schau dir an, wie sehr er leiden musste! Das ist das Schlimmste, was jemals ein Mensch hat ertragen müssen!“ Und irgendwie bin ich nach dem dritten zusammenbrechenden Hinfallen der Jesus-Figur auf dem Weg zur Kreuzigung abgestumpft. Da konnte auch die gefühlsbestimmende Hintergrundmusik mir beim besten Willen nicht mehr helfen… (Ein Nebengedanke: Ist das Leid, das man bei einem geliebten Menschen mitansehen muss, für einen selbst nicht um ein Vielfaches stärker als jenes, welches man selbst aus freiem Entschluss erduldet? Insofern muss unser Gott ein über alle Maße leidender Gott sein, wenn er seine Menschen liebt…)
Was mich an dem Film aber wirklich zutiefst empören ließ (innerlich, ich hab niemandem in dem Saal seine Gefühle zu der Sache streitig machen wollen), war die echt albern wirkende Teufelsdarstellung. Gleich zu Beginn, nachdem dieser Jesus im Garten Getsemane mit Gott um die Unabänderbarkeit des Bevorstehenden ringt, seine Jünger dann schlafend statt wachend vorfindet und sich anschließend abermals ins Gebet stürzt, erscheint von der Seite eine bleiche, mit einem schwarzen Tuch umhüllte Figur, die mich andauernd in meiner lückenhaften Erinnerung der Schilderungen in den Evangelien erfolglos nach ihr stöbern ließ. Es sollte wohl Satan, die Schlange, in Person sein; weder Mann noch Frau, ganz das hinterlistig Böse verkörpernd wollte er wohl diesen Jesus versuchen, damit der sein Schicksal ändere. So zumindest hab ich das verstanden. Der erste Gedanke, als ich diesen Typen sah, war: „Meeiiin Schaaaaatz“ … Er tauchte dann auch immer wieder auf, mal als Schatten, als der Verräter Judas von Kindern (, die mit dämonenverzerrten Fratzen wohl seine teufelsgegebenen Wahnvorstellungen sein sollten,) aus der Stadt gejagt wird und sich bei einer von Maden zerfressenen Eselsleiche (jener Esel, der zuvor noch mit Palmwedel in Jerusalem begrüßt wurde?) das Leben nimmt, mal mit einem missgebildeten Kind/Kleinwüchsigem auf dem Arm, während er an der Geißelungsszenerie an der Jesus-Figur seltsam süffisant vorbeischreitet. Seinen entscheidenden Auftritt hat er dann am Schluss, als dieser Jesus am Kreuz seinen letzten Atem ausstößt. Satan wird da am Boden kniend, die Hände emporstreckend und mit einem Schrei der endgültigen Niederlage dargestellt, während die Kamera, den Blick nach unten auf Satan gerichtet, in bester Dramaturgiemanie in den Himmel entfährt.
Alles schwer albern, wie ich fand.
Auf Wikipedia ist übrigens zu lesen, dass der Film historisch gar nicht so korrekt ist, wie er sich in seinem deutsch untertiteltem Aramäisch/Latein gibt. Auch ist die Story des Films aus den vier Evangelien zusammengewürfelt und einige Begebenheiten waren mir völlig neu.
Bleibt zum Abschluss der Kritik noch die Frage an alle, die den Film schon mal gesehen haben: Welche Augenfarbe hatte dieser Jesus? Und warum?

Aber wie dem auch sei, einigen bei der Filmvorführung schien Mel Gibsons Film recht nahe gegangen zu sein und auch irgendwas Inneres berührt zu haben – das will ich niemandem nehmen. Nur war das bei mir nicht so und so ist es dann auch zu erklären, dass ich nach Filmende, als alle zutiefst betroffen geschwiegen haben, ich in die Stille ziemlich nervig mit dem Schlüsselbund geklimpert hab, penetrant lange, weil ich noch jemandem einen Schlüssel zurückgeben wollte, den ich mir geliehen hatte und ich befürchtete, es sonst zu vergessen. Hab dann erst danach gerafft, dass alle so ruhig waren, weil sie tief betroffen waren. Etwas ungeschickt von mir, war aber keine böse Absicht. Wie das halt so ist mit Fettnäpfchen…

Der geilste Satz des Abends soll dann hier auch noch Erwähnung finden. Der Filmvorführer erzählte zu Beginn eine Kleinigkeit über den Film und eben auch über Mel Gibson, als er den wahrhaft pointierten Satz (unabsichtlich, dessen bin ich mir doch ziemlich sicher) äußerte: „Mel Gibson ist streng katholisch erzogen worden; trotzdem steht er fest im Glauben.“

Mein abschließendes Fazit, bewusst provozierend: Mir sind Jesus-Verfilmungen wie „Das Leben des Brian“ lieber, in denen nicht der Anspruch erhoben wird, die Wahrheit abzubilden. Mit denen kann man ehrlicher umgehen, weil sie viel leichter zu durchschauen sind.

Vielleicht richtet sich meine (lange und stellenweise ausufernde Kritik) ja auch gegen das, was Drewermann im Johannesevangelium mit „Gottesbesitzer“ übersetzt hat (ich hab vor Kurzem schon mal auf Drewermanns Johannsevangelium hingewiesen). Und so will ich zum Abschluss allem Abbilden von Wahrheit nicht den Satz aus 2. Mose 20,4: Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist. stellen, sonder vielmehr Jesus selbst zu Wort kommen lassen, als er im Zusammenhang mit der Heilung eines Blindgeborenen einigen Pharisäern (=Gottesbesitzern) offenbart:

Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, auf daß die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden. [Und] etliche von den Pharisäern, die bei ihm waren, hörten dies und sprachen zu ihm: Sind denn auch wir blind? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so würdet ihr keine Sünde haben; nun ihr aber saget: Wir sehen, so bleibt eure Sünde. (Johannes 9,39ff)

Manche Gewalt hat keine Logik

Nach dem krassen Selbstmord in Winnenden gibt es nach meiner Beobachtung im Fernsehen tatsächlich überwiegend Bestürzung, Trauer – und Sachlichkeit. Natürlich kam bei den Berichterstattungen auch das Thema Verbot von Killerspielen vor und oft wurde auch eine Verschärfung der Gesetzeslage gefordert, um das Erlangen von Waffen zu erschweren. Allerdings wurde diese Thematik überwiegend differenziert behandelt und klar gemacht, dass es um etwas anderes gehen muss, als Verbote auszusprechen (zumindest bei den öffentlich rechtlichen).

Zwar hab ich, was die Gewaltspiele anbelangt, durchaus eine kritische Haltung. Allerdings muss ich dann doch kritisieren, dass die Spezialisten in der Berichterstattung manchmal auf unzählige Studien verwiesen, die den Zusammenhang zwischen virtueller und realer Gewalt klar belegen würden.  Jedoch ist der Konsens verschiedener Untersuchungen eher der, den der Forscher Bert te Wildt wie folgt hier formuliert:

Allein Computerspiele machten jedoch niemanden zum Amokläufer, betonte der Forscher: „Wie bei psychischen Erkrankungen kommen für eine solche extreme Fehlentwicklung mehrere Faktoren zusammen. Ohnehin ist davon auszugehen, dass alle jugendlichen Amokläufer psychisch krank sind, ebenso depressiv wie aggressiv.“

Ich glaube, dass die Formuilierung „mehrere Faktoren“ dabei auch nur synonym sind zu: Wir verstehen nicht, was da bei einem Menschen passiert ist. Und vielleicht ist das das wahrhaft Schreckliche an diesem Amok-Selbstmord: Er hat keine Logik. Denn bei allem was man findet an Gründen, warum Tim starke innere Probleme gehabt haben muss und es ihm nicht reichte, denen in Computerspielen ein Äußeres zu geben, bleibt immer noch die Frage zu beantworten: Warum dann diese ultimative Entscheidung? Die mit all diesen Gründen zu beantworten – und auch die Summe dieser Gründe als Argument anzuführen – reicht zur Erklärung einfach nicht aus. Vielleicht hat manche Gewalt einfach keine Logik.

Trotzdem aufschlussreich: Gewalt spielen, eine Dokumentation von Anja Kretschmer

Der Prinz aus Simbabwe

Als ich vorhin diesen Artikel von Johannes Dietrich auf FR-Online (vgl. spiegel.de) las, musste ich sofort an einen der besten Filme aller Zeiten denken: Coming to America. (Mir gefallen die Szenen im Friseurladen besonders darin.) Eddi Murphy geht darin in der deutschen Version als „Der Prinz aus Zamunda“ auf Reisen in die USA/New York, um seine Frau fürs Leben zu finden. Die gesamte Geschichte ist vielleicht am besten als modernes Märchen zu beschreiben. Viele bedeutungsschwere Allegorien sind dabei untergebracht (bspw. heißt dieses Haarmittel „SoulGlo“), die vor allem thematisieren, dass es nicht auf die äußere Pompösität ankommt, sondern irgendwas tief im Innern eines Menschen sein muss, das zu finden es lohnt.
Jedenfalls ist das Königreich in Zamunda angelegt auf die ausufernden Herrschaftsverhältnisse, wie sie im europäischen Absolutismus normal waren. (Das wird übrigens herrlich auf die Schippe genommen, als zu Beginn die Königsfamilie am Bankett „frühstückt“.) Während im Film niemand ein Problem mit dem Herrscher von Zamunda zu haben scheint und dem Prinzen sogar im Madison Square Garden ein Untertan begegnet, der vor Ehrfurcht fast in Ohnmacht fällt (allerdings wird im ganzen Film so gut wie nichts über Zamundas Bevölkerung gesagt), scheint die Situation im realen Simbabwe etwas anders gelagert zu sein: Dem „Präsidenten“ fehlt das nötige Geld, um seine Untertanen in den Genuss eines wahrhaft absoluten Lebens kommen zu lassen. Glücklicherweise gilt das nicht für Mugabe selbst:

Man wird es den Verantwortlichen verzeihen müssen. Eine Viertel Million US-Dollar in einem Land aufzutreiben, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung vom Hungertod bedroht ist und sich die Städte kein Chlor zu Reinigung des Trinkwassers mehr leisten können, ist kein Pappenstiel. Deshalb brauchte die simbabwische Zanu-PF-Partei auch etwas länger, um das Geld für die Geburtstagsparty Präsidenten Robert Mugabe aufzubringen.

Der war bereits am 21. Februar 85 Jahre alt geworden, doch erst als ein berüchtigter Geschäftsmann und Vetter des Jubilars noch schnell 140 000 US-Dollar in den Hut warf, konnte mit der Bestellung begonnen werden: 2000 Flaschen Champagner, 8000 Hummer, 100 Kilogramm Krabben, 4000 Portionen Kaviar, 3000 Enten sowie ein Geburtstagkuchen, der allein 85 Kilo wog. So konnte mit einwöchiger Verspätung am Samstag zum „glücklichsten Tag der simbabwischen Nation“ (die Organisatoren) steigen, 5000 Parteifunktionäre waren dazu geladen.

In Coming to America gibts ein Happy Ending in Zamunda: Der Prinz heiratet die wahrhaft innere (und äußere) Schöne, die ihrerseits nicht auf den Seelenglanz-Typen reinfällt. – Wie es in Simbabwe ausgeht, ist trotz jüngester Zuversichtsmeldungen ungewiss. An dem Leid der Bevölkerung Simbabwes jedenfalls wird sich die Zukunft dieses Landes und seines Königs entscheiden.

Beidhändige Doppelbackpfeifen

Ich wollte zwar eigentlich schon ins Bett, aber dadrauf muss ich dann doch noch hinweisen: “Ich kann fliegen”

Bemerkenswert 1:

Nach Ihrer Kopfnuss stand der Gegner sofort wieder auf.

Und deshalb können auch Kinder darüber herzhaft lachen. Ich habe ihnen nie Angst verbreitet; es gab nie Tote, es spritzte kein Blut.

Bemerkenswert 2:

Der Schriftsteller Umberto Eco sieht das, wie viele Ihrer Landsleute, anders. Eco wirft Berlusconi unter anderem vor, seine eigenen, unternehmerischen Interessen über die des Landes zu stellen?

Ich kenne Eco nicht persönlich. Aber er ist einer der bedeutendsten Schriftsteller Europas, vielleicht sogar weltweit. Eco ist für mich ein kultivierter, ehrenwerter Mann.

Jetzt klingen Sie wie ein Pate.

Lassen Sie es mich so sagen: Man kann meine Kultur mit seiner nicht vergleichen.

Fazit: Was für einen leicht erschütterbaren Heldenglauben hätte ich, wenn etwas so Gewöhnliches wie die Wahrheit mir meine Verehrung für Bud Spencer nehmen könnte?

Wenn die Pflicht ruft

Habe grade beim Abendessen ein wenig fern gesehen und bin bei der MTV-Sendung AccesAllArea für ein paar Minuten hängen geblieben, die unter dem Titel Digital Heros lief. Gerade, als ich schaute, ging es um Kriegsspiele generell und Call of Duty 4 im Speziellen. Genauer gesagt ging es um diesen Ausschnitt des Spiels:

Ist die Szene, in der das Wort ‚pieces‘ fällt, wohl der sprachlich krasseste Kommentar der Off-Stimme, so ist das gesamte Spielgeschehen (zumindest dieses Ausschnitts) um so beunruhigender. Wohl vor allem beunruhigend, wenn man das Spiel nur sieht und nicht selbst spielt. – Nicht weil man durch das Spielen die Mechanismen durchschaut, das Spielprinzip in den Vordergrund tritt und die Darstellung in den Hintergrund rückt (nicht verschwindet), sondern gerade umgekehrt: weil man eben durch das Nichteingebundensein eine Distanz entwicklen kann, die eine Beurteilung ermöglicht, die sich allein auf die ‚transportierten‘ Bilder, Geräusche und Geschichten beschränkt.

Die erschreckend realistische Darstellung ruft bei Betrachtung – zumindest bei mir – ein gewisses Ekelgefühl hervor. (Das liegt vor allem an der Erkenntnis, dass die Akteure Krieg sehr technisch betrachten.) Genau dieses Gefühl hatte ich übrigens auch, als ich vor einigen Jahren auf Phönix eine Reportage zum Irakkrieg gesehen hatte. Dort war ein Ausschnitt zu sehen, in dem man im grün getränkten Bildschirm weiße Körper-Silhouetten zu sehen waren, die scheinbar entspannt bei etwas standen, das aussah wie ein stellenweise weiß-illuminierter Geländetruck. Im Off waren Stimmen zu hören, die sich auf Englisch über Funk unterhielten. Die Intonation der Stimmen hätte auch auf Ornithologen schließen lassen können, hätte nicht plötzlich das zerberstende Weiß der Silhoutten den Zusammenhang hergestellt.

Der darstellende Realismus von Krieg gewinnt in Kombination mit dem spielerischen Aspekt allerdings noch eine ganz andere Qualität. Mir geht es dabei nicht so sehr um die Debatte um so genannte „Killerspiele“ (vgl. heise.de). Das problematische sehe ich hier in der Virtualisierung der Realität, nicht umgekehrt. Dadurch dass die Mechanismen des Spiels (also die reaktionslastige Bedienung der Eingabegeräte bspw. um weiße Punkte möglichst genau anzuvisieren) in der Wahrnehmung des Spielers überwiegen, findet eine Entfremdung der Realität statt. Oder einfacher gesagt: Das Ekelgefühl kommt nicht beim Spielen sondern nur beim Betrachten (=distanzieren).

Um mich, Pharisäer, zu entlarven, muss ich ehrlicherweise auch eingestehen, dass ich den ersten Teil der Call of Duty-Reihe immer mal wieder mit Freunden im LAN gespielt habe. Hat auch Spaß gemacht und die einzig wirklich ausgeübte Wut richtete sich gegen die Latenzen verursachenden technischen Geräte der realen Inneneinrichtung. Dennoch:  Die Grenzen zwischen virtuell und real verschwimmen, wenn die einzige Unterscheidungsmöglichkeit die Quelle wird, woher wir die Bilder empfangen. Und dies ist mir bei dem gezeigten Ausschnitt auf MTV und der Erinnerung an Bilder des Irak-Kriegs irgendwie klar geworden.