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Kritik als demokratische Kultur

Wirklich interessanter und auch kurzer Artikel auf Spiegel-Online zum Duckmäusertum im Bundestag. Vorgestellt wird die Meinung von Peter Gauweiler aus den Reihen der CSU, der uns offenbart, dass man auch anders denken kann als nur in vorkategorisierten Blöcken. Einen Namen gemacht hat sich Gauweiler nicht zuletzt durch die Klage gegen den Lissabon-Vertrag, dem er, laut eines Artikels der Süddeutschen Zeitung, den man auf seiner Homepage runterladen kann, Demokratiedefizite vorwirft. Neben ihm klagte übrigens auch Die Linke gegen den Lissabon-Vertrag; das macht vielleicht deutlich, dass Demokratie bedeutet, auch solches Lagerdenken zu überwinden und sich zu inhaltlichen Gegnern oder Verbündeten zu erklären und dies nicht an schon zuvor gefestigten Kategorien festzumachen.

Die Vorgehensweise beim Lissabonvertrag hat mich übrigens schwer an eine SV-Stunde erinnert, die wir in der 9. oder 10. Klasse mal durchgeführt hatten. Ich weiß gar nicht, ob ich da noch stellvertretender Klassensprecher war, ich glaube aber nicht. Jedenfalls gings in der SV-Stunde um das Ziel eines Wandertags und ums abzukürzen: Wir haben so oft abgestimmt, bis das richtige Ergebnis rauskam. Unsere (politisch sehr engagierte) Klassenlehrerin merkte dann auch mal an, dass das ein unzulässiges Verfahren und sie damit nicht einverstanden sei. Ich weiß jetzt gar nicht mehr genau, worum es ging und wo wir schließlich hin sind, aber irgendwie ist das das gleiche Prinzip, wenn der EU-Vertrag in manchen Ländern gescheitert ist, jetzt den schon älteren Lissabon-Prozess aus dem Hut zu zaubern und darin die Inhalte zu verpacken, „damit die Holländer und Franzosen nicht ins Grübeln kämen, warum sie dieses Mal nicht abstimmen dürften“, wie es im angesprochen SZ-Artikel heißt.

Gesine Schwan setzt sich mit ihrer Kandidatur zum Amt des Bundespräsidenten übrigens für eine stärkere demokratische Kultur ein. Und dabei geht es ihr, wenn ich das richtig beobachtet habe, erst zweitrangig darum, Bundespräsidentin zu werden, sondern vor allem um den Kampf, die inhaltliche Auseinandersetzung, wodurch man demokratische Kultur kaum besser aufzeigen kann.

Ich merke grade, dass irgendwie unklar ist, wohin dieser Artikel führt. Um mal einen Punkt zu machen: Mir ist es wichtig, hervorzuheben, dass es Kritik an den derzeitigen demokratischen Verhältnissen nicht nur bei den linken Spinnern gibt, die ja sowieso gegen alles sind. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen das, was diese Welt zusammenhält, in Frage gestellt wird, ist es so wichtig, für etwas zu sein und nicht nur dagegen. Und da ist es umso wichtiger in Zeiten wie diesen, darauf aufmerksam zu machen, dass Demokratie nicht unumkehrbar ist. Umso bemerkenswerter, dass solche Hinweise eben nicht nur von denen kommen, deren Stimme man eh nur noch als Gemecker vernimmt.