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Schlagwort: geleesen

Amsel

Rund um den Sommerurlaub habe ich Die Tage der Amsel gelesen. Gut gefallen hat mir, dass es ein Buch ist, das aus einzelnen mal längeren, mal kürzeren Comicgeschichten besteht. Auffallend ist der unterschiedliche Malstil des Künstlers Manuele Fior. Mit den Tagen der Amsel benennt man in Italien traditionell übrigens die 3 kältesten Tage des Jahres und feiert dies Ende Januar. Die Bezeichnung geht auf die Legende zurück, dass eine schwarze Amselmutter mit ihren Jungen in einem Schornstein blieb und grau herauskam. Passt irgendwie auch zur gleichnamigen Comic-Kurzgeschichte im Band.

Am besten gefallen hat mir Die Geschichte von Gabriel C., die wohl auf tatsächlichen Patientenakten beruht. Sie erzählt von jemandem, der als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient hat und in der Folge verrückt geworden ist, das aber nichts mit seinen Erlebnissen im Krieg zu tun habe.

Wer möchte, findet noch mehr von Manueles Fior Arbeit auf Instagram.

Danke Merkel!

Ein hörenswerter Beitrag darüber, wie wir Menschen um Wahrheit zu ringen scheinen: Über alternative Fakten, Wissenschaftsskepsis und Verschwörungsdenken.

Mir gefällt, wie Argumentationsmuster dargestellt werden. Ein zeitgenössischer Querdenker blufft demnach, wenn er kritisch hinterfragt. Er hat nämlich gar kein Interesse an der Wahrheit sondern verfolgt andere Ziele. Als Beispiel wird der Umgang mit dem Klimawandel im ausgehenden 20. Jahrhunderts genannt (1970er Jahre: Wie Exxon den Klimawandel entdeckte – und leugnete).

Ich musste dabei dann an zwei Dinge denken:

Zum einen kommt mir die mediale Präsenz von Wissenschaftlern wie Streeck als eine Inszenierung vor. (Wo sind da die Verschwörungstheoretiker, wenn man sie braucht?) Allerdings bin ich von diesem Youtube-Video beeinflusst worden: Corona-Pandemie mit Hendrik Streeck.

Zum anderen hab ich vor etwa einem halben Jahr bei einem Ausflug mit einem Kollegen ein Streitgespräch über Adorno angefangen. Der Kollege war eher Gegenwartspessimist und schüttelte mit dem Kopf, als er etwa feststellte, was bloß aus dem Land der Dichter und Denker geworden sei. Er hatte die Dialektik der Aufklärung offensichtlich nicht gelesen und Adorno unterstellt, für die ganze Misere gerade (Adorno -> 68er Bewegung -> Ur-Katastrophe der Gegenwart) verantwortlich zu sein. Dem musste ich widersprechen, weil es ja Adorno darum gegangen war, zu erklären, wie es im Land der Dichter und Denker zu so etwas Barbarischen wie dem Holocaust kommen konnte. Der Kollege gestand ein, dass er Adorno nie gelesen hatte. Er hatte also nur geblufft. Das Problem an der Geschichte: Ich hatte es zwar geleesen, die wesentlichen Schlussfolgerungen habe ich aber von Alexander übernommen, also auch nur geblufft.

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Buchbesprechung

Vergangene Nacht habe ich etwas geträumt, an das ich mich teilweise erinnere – das ist nicht selbstverständlich. Es ging um ein Buch: As far as I am. von Heinz Erhardt.

Es besteht aus drei Teilen, die sich jeweils mit einem Abschnitt aus dem Leben des Künstlers beschäftigen. Das grobe Erzählgerüst ist autobiographisch gehalten, besitzt aber viele fiktive Elemente, die es eindeutig zu einem Roman im klassischen Sinne machen. Es ist bebildert mit Ansichten im Postkartenformat aus der „guten alten Zeit“ und umfasst ca. 330 Seiten. Den Verlag habe ich leider vergessen.

Kommen wir zum Inhalt. Hier wird es etwas trickreich, denn ich will nicht zu viel verraten. – Kann ich auch gar nicht, denn ich hatte mir das Buch ausgesucht, um es in einer Arbeit zur Verteidigung meines Beamtentums zu untersuchen. (Es handelt sich um eine Art 3. Staatsexamen.) Nach langem Vorgespräch mit dem zuständigen Professor wurde meine Gliederung schließlich genehmigt, ich ging in die Buchhandlung, holte meine 5bändige Spezialausgabe von As far as I am. ab und fing an zu schreiben. Wegen Zeitmangels konnte ich den Roman kaum leesen und sog mir für meine schriftliche Arbeit etwas aus den Fingern. Ich weiß, dass ich unzufrieden mit dem Haupteil war, doch um ihn zu verbessern, musste ich den Roman vollständig lesen, das war ausgeschlossen. Ob ich die Arbeit fertigstellen konnte, will ich hier nicht verraten…

Mir hat As far as I am. wirklich gut gefallen. Vor allem beeindruckt mich nach wie vor das Repertoire des Autors, da er mir bislang nur durch seine deutschsprachigen Gedichte bekannt gewesen ist. Die philosophische Denktiefe, die in der geschickt angeordneten Verquickung autobiographischen und fiktiven Stoffs an vielen Stellen aufblitzt, habe ich so noch nirgends gelesen. Seitdem lese ich Erhardt völlig neu. So ist zum Beispiel für das heiter wirkende Gedicht Die Made eine völlige neue Rezeption zwingend erforderlich („Schade!“). As far as I am. ist der Schlüssel zu Heinz Erhardts Gesamtwerk.

Ich grübele übrigens seit dem Aufwachen nach einer passenden Übersetzung des Titels.

Hu-Hu-Hufeiseneinsatz

Hier wird erklärt, warum die ‚Mitte‘ Gefahr läuft, der ‚Rechten‘ auf den Leim zu gehen: Links, rechts, Weimar? Ich hab hier mal drei Textstellen willkürlich rausgeleesen:

Wer die Demokratie bewahren wolle, müsse die „Mitte“ stärken. Politikwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von der Hufeisen-Theorie, der zufolge die politische Mitte links und rechts in Extreme ausläuft, die sich wie die Enden eines Hufeisens einander nähern.

[…]

Nicht der demokratische „Mainstream“ ist links, sondern der „Mainstream“ innerhalb der Linken (verkörpert durch SPD und Linke) ist demokratisch – anders als in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren, als die KPD die Republik von links bekämpfte. Der heute von rechts angeheizte Verdacht, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr sei und Deutschland unter der Knute einer tugendterroristischen „Political Correctness“ stehe, fußt auf der demagogischen Verkehrung dieser Tatsache. Das Hufeisen mit seinem trügerischen Rechts-links-Schematismus steht den Rechten dabei treu zu Diensten: Den Bereich des Sagbaren nach rechts zu erweitern, wie es die AfD und andere betreiben, kann auf der Folie der Hufeisen-Theorie als Wiederherstellen eines vermeintlich aus dem Lot geratenen Gleichgewichts erscheinen.

[…]

Die Ideologen der neuen Rechten […] kennen übrigens das Modell des Hufeisens, und zwar in seiner ursprünglichen Lesart. Geschmiedet haben es nämlich nicht der Verfassungsschutz oder Extremismus-Experten: Es taucht bereits in der späten Weimarer Republik auf, um die Mitte zu verorten, die den nationalbolschewistischen Querfront-Propagandisten vorschwebte. Diese lag im offenen Raum zwischen den Enden Bolschewismus und Nationalsozialismus und stand der „bürgerlichen Mitte“ im Hufeisenrund feindselig gegenüber. Nach 1945 griff der Vordenker der heutigen neuen Rechten, der Publizist Armin Mohler, das Schema auf.

Siehe auch: Ach, du alle Welt

Just A Feeling Machine?

Ich habe mich über ein DLF-Nova-Gespräch mit Philipp Möller geärgert, der wohl gerade ein Buch vermarktet: Atheist Philipp Möller:
„Gott hatte seine Chance bei mir!“ Danach habe ich eine Weile gegrübelt, warum es mich aufgeregt hat.

Eine kurze Zusammenfassung zunächst: Im Grunde redet er gegen Kirche, Religion, Gott und Glauben, gibt vor, vor allem aber gegen die Vormachtsstellung der Institution Kirche in Deutschland zu kämpfen. Argumente sind dazu im Wesentlichen welche, die man von Richard Dawkins kennt, der Evolutionsbiologe ist und eine streng naturwissenschaftliche Sichtweise vertritt, die nur Beweisbares akzeptiert. Diese Argumente wollen sich gegen Religiösität und den Glauben an eine höhere außerweltliche Macht und insofern auch gegen den Gläubigen an sich richten.

Gleichzeitig betont Möller immer wieder die Freiheit, privat an das zu glauben, was man wolle – jedoch mit ständigem Verweis auf fantastische Wesen wie das fliegende Spaghettimonster, den Pumuckel oder den Drachen Aloffi, der bei ihm im Keller lebe und das Taschengeld seiner Schüler verlange. Von dieser Behauptung ausgehend fordert er, dass man – im konkreten Fall seine Schüler – ihm erst einmal beweisen möge, dass der Drache nicht existiere. Damit spielt er mit einem wesentlichen Argument des strengen Atheismus, das besagt, dass die Beweislast auf der Seite desjenigen liegt, der die Behauptung aufstellt.

An der Stelle habe ich mich am meisten aufgeregt, glaube ich. In der Folge habe ich jedenfalls ein paar Gedanken zum Interview notiert:

  • Das ist, denke ich, ein epistemischer Fehlschluss. (Kann man das so bezeichnen?) Schließlich hängt die Schlussfolgerung von der Perspektive ab: Die Behauptung Es gibt einen Gott mag in Anbetracht meiner eigenen, bewussten Existenz in dieser Welt naheliegender sein – da eine grundlose Existenz gleichbedeutend einer Nicht-Existenz wäre, bzw. die Frage nach dem Sinn meiner Existenz auch immer eine Frage nach Gott sein kann – als die Behauptung Es gibt keinen Gott, welche dann die zu beweisende wäre. Kurz gesagt: Wer die Frage nach dem Sinn seiner Existenz stellt, rechtfertigt die mögliche Behauptung, dass es Gott gibt. Der Drache beißt sich in den Schwanz.
  • Letztlich muss man auch Beweise glauben, um sie zu akzeptieren: „Zumindest an den Grenzen des Wissens ist der Mensch zum Glauben an die Richtigkeit und Brauchbarkeit seines Wissens genötigt.“ (Volker Gerhardt, Philosoph in der DLF-Nova-Sendung Glauben und Wissen)
  • Liebe sei Ergebnis neurochemischer Prozesse, sagt Möller und betont dabei, dass er sie trotzdem genieße. Ich denke: Zu erkennen, dass der Mensch letztlich eine Maschine sei, die Teil einer großen Maschine Welt ist, ohne einen Schöpfer zu denken, klingt widersprüchlich. (Um diesen Widerspruch aufzulösen, hat Daniel Dennett interessante Ansätze. Ob Möller die strange inversion of reasoning evolutionstheoretisch teilt, weiß ich natürlich nicht. Er würde Dennett aber vermutlich widersprechen, der für Gelassenheit im Umgang mit Religion plädiert. Ob ich Dennetts Ansicht teile, weiß ich übrigens auch nicht. Ich habe so meine Probleme mit der Vorstellung von Memes als Entitäten.)
  • Der Wunsch nach einer ideologiefreien Erziehung ist ideologisch geprägt. Man kann nicht keine Weltanschauung haben. Neutralität ist ein Statement. Besser würde mir gefallen, wenn er von einer skeptisch-offenen Erziehung zur Mündigkeit spräche.
  • Im Interview redet Möller viel vom Inneren eines Menschen (Glaube), womit er sich jedoch mit Perspektiven von außen auseinandersetzt (Kirche). Aus Kritik am Katholizismus und an verschiedenen Ausprägungen von Kirche eine Kritik an Glauben generell zu machen, kann ich nicht nachvollziehen. Ein historischer Abriss von christlicher Kirche ist wohl kaum der Hauptbezug eines Menschen in seinem christlichen Glauben. (Vielleicht sollte das vielmehr die Kritik am Christsein sein: Dass der Einzelne es so manches Mal nur schafft, seinen christlichen Glauben zu erhalten, indem er sich in weiten Teilen von der Institution Kirche innerlich zu distanzieren weiß. Das wiederum zeigt den befreienden Geist der Worte von Jesus.)
  • Nächstenliebe habe früher nur unter Glaubensbrüdern gegolten? Das ist wieder eine Kritik an dem, was Menschen nach der Zeit von Jesus aus seinen Worten gemacht haben. Denn die Gleichnisse und sein Wirken galten über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. (Ich beziehe mich auf Bibeltexte wie Der barmherzige Samariter und Der Hauptmann von Kapernaum)
  • Ein Glaubender, der ehrlich zu sich und den anderen ist, kann sich vermutlich leichter von Kirche lösen, als jemand, dessen Lebensinhalt die Kritik an kirchlichen Institutionen ist. Wenn Möller aufklären sagt, höre ich eine dogmatisch-atheistische Mission.
  • Interessant sind auch die Kommentare, die auf einer seiner Seiten zu lesen sind. Seine Inhalte scheinen noch mehr Menschen als mich zu emotionalisieren, auf vielfältige Weise. Die Kommentare sind schon ein paar Jahre her. In den Kommentaren und seinen gelegentlichen Antworten kann man erahnen, dass sich Möller nicht gern mit Kritik an seiner Kritik inhaltlich auseinandersetzt. Kann man machen, wirkt aber dogmatisch. (Sein Auftreten erinnert mich ein wenig an Attila Hiltmann.)

Ich überlege noch immer, warum mich das Hören des Beitrags mittelschwer hat aufregen lassen. Vielleicht, weil dort viele undifferenzierte Sichtweisen sehr dogmatisch und nicht befreiend aufklärerisch daherkamen, leider unwidersprochen vom Interviewer. Zum Glück hab ich noch ein bisschen den Neurowissenschaftler Antonio Damasio in meinem Kopf nachklingen hören. Der glaubt, dass Emotionen eine sehr wichtige Rolle in der Entwicklung der Menschheit spielen, da sie den Menschen erst zum Handeln befähigen. Oder anders gesagt: Hätte der Beitrag keine emotionale Reaktion ausgelöst, hätte ich nicht darüber gegrübelt, was mich denn nun so aufregen lässt. Dass ich das dann auch noch in Worte gefasst habe (=Tat), deutet auf eine länger anhaltende emotionale Reaktion. We are not thinking machines that feel. We are feeling machines that think. (Ob ich dem zustimme? Keine Ahnung.)

Hier noch zwei Links, die ich interessant fand, aber nicht wirklich geleesen habe und einfach so stehen lasse, widersprechen kann ja jeder für sich selbst: Intelligent Design 2.0: Das Hintertürchen und Infographic of the Day: What the Bible Got Wrong.

Ich schließe mit einem Gedanken zum Film Alien: Covenant, in dem es einen interessanten Dialog gibt zwischen den beiden Androiden David (1. Modell, macht Fehler) und Walter (2. Modell, perfektioniert):

Walter: What do you believe in, David?
David: Creation.

Ist Unvollkommenheit der Antrieb der Schöpfung?

Faul

Die neue ARTIC ist draußen, Stichwort: faul. Um den Titel zu unterstreichen hat die Produktion des Heftes diesmal 4 Jahre gedauert. Ich konnte gestern während eines Geburtstagsbrunch einen Blick ins Heft werfen. Einen Text habe ich dann etwas näher geleesen, also nur überflogen. Ging um die Vertreibung aus dem Paradies, Sisyphos und Prometheus. (Frage mich gerade, ob es nicht doch ein Geier war, der sanft Prometheus Leber pickte.)  Ich fand den Text zunächst etwas wirr, merkte aber auch, dass ich gerade nicht die Muse zum Lesen hatte und wollte dem Text gegenüber nicht unfair daherreden, insbesondere während zwei Redaktionsmitglieder des Magazins am Tisch saßen. War ganz gut, weil ich nämlich später bemerkte, dass der eine selbst Verfasser eben dieses Textes war.

Ein weiterer Text stammt von Malewitsch, der in der ARTIC wohl zum ersten Mal in gedruckter Form erscheint: Die Faulheit als tatsächliche Wahrheit der Menschheit. Habe ihn gerade angefangen zu lesen, war aber etwas faul und hau deswegen meine Hauptkritik sofort raus: Wovon Malevich oftmals redet, wenn er Faulheit sagt, ist meiner Meinung nach Zufriedenheit, Ruhe oder Pause. Also glückselige Momente, nachdem man gearbeitet hat. („Andererseits ist die Faulheit der Garant und Motor der Arbeit, schließlich kann man Faulheit nur durch bzw. über die Arbeit erreichen.“) Ich finde aber, dass zu echter Faulheit gehört, beim Sichaufraffen zu scheitern:

Ganz gut gefällt mir, dass er der Aussage widerspricht, Faulheit sei die Mutter aller Laster. Dem widersprach auch Kierkegaard schon, der den bekannten Satz in „Langeweile ist aller Laster Anfang“ umbedeutet haben wollte (wenn ich mich gerade richtig erinnere). Also, ungefähr so: Wenn einer nichts macht, heißt das nicht, dass nichts passiert. Momente der Ruhe / Pause / Entspannung ermöglichen oftmals erst kreative Prozesse. Nur wenn wir uns mit uns selbst langweilen suchen wir nach Ablenkung=Laster. So hab ich Kierkegaard damals verstanden und in eine ähnliche Richtung schreibt Malewitsch stellenweise – vermute ich. Habs ja nicht richtig gelesen.

Der Einband der ARTIC ist mit Jeansstoff aus alten Hosen beklebt. Das war und wird wohl ganz schön viel Arbeit. Erinnert mich ein bisschen ans Flyerfalten zu AKBp-Zeiten. Was Diego gefallen wird: In zehn der tausend Ausgaben des Magazins befindet sich ein echtes Faultierhaar. (Das Gesicht vom Zoodirektor hätte ich gerne gesehen, als er den Brief zur Anfrage las.)

So, ganz schön viel Text, dafür dass ich eben zu faul war, Malevich Text zu lesen. Nennt man wohl Prokrastination.  Diego meint übrigens, dass die Kunst darin besteht, die eigentliche Arbeit mit anderer sinnvoller Arbeit aufzuschieben. Ziemlich k l u k.

Die Kunst, ein Opfer der Kunst

Beim Leesen eines Artikels auf zeit.de bin ich auf Jonathan Meese aufmerksam gemacht worden, bei dem ich zunächst an eine Vereinigung von Helge Schneider und Jonathan Davis denken musste. Seine Vision einer Diktatur der Kunst, in der es niemals Opfer gäbe, stellt er in einen Gegensatz zur „Menschenmachtsrealität“. Ich glaube aber, dass er das Kindische überhöht: Er küsst Heidegger lieber, als dass er ihn liest, kritzelt in Büchern rum und erklärt, es sei weder Assoziation noch Improvisation, was er tut… Wenn ichs recht begriffen habe, ist sein Leben für ihn ein andauerndes Spielen mit der Realität. Wenn man seiner Vision folgen würde, opferte man die Realität für die Diktatur der Kunst und aus „Alles ist Kunst“ würde dann ja logischerweise „Nichts ist Kunst“. Ich kann damit ja nicht so viel anfangen. Total wenig, um genau zu sein.

Die ersten Blogbuchstaben

Zugegeben: Neu ist die Idee nicht. Auch bin ich nicht erst die vierte oder fünfte Person, die auf die Idee kommt, ein eigenes Blog einzurichten – sucht man nach dem Wort Blog in der großen Maschine, gibt die zehnstellige Zahl einen ungefähren Geschmack auf meine Position in der Rangfolge dieser „neuen Idee“. Aber ich halte es da mit dem Prediger: „Es gibt nichts neues unter der Sonne.“ Somit bestätigt sich zumindest für mich Kierkegaards These, dass die Wiederholung die progressivste Kategorie ist, die wir kennen. – Dabei bin ich mir jetzt gar nicht sicher, ob es Kierkegaard war, der ihn selbst geäußert hat oder ob dieser Gedanke nur ein Dasein in meinem Kopf bekam, als ich Kierkegaard geleesen hab. Letztlich wärs ja auch irgendwie das gleiche. Ach ja, an die Unwissenden: Ja, es heißt „geleesen“. Wenn ihr dran bleibt, erzähl ich vielleicht irgendwann mal, warum…

Im Großen und Ganzen solls bei der Seite druckschrift.net darum gehen, den ganzen Gedanken, die sich geradezu parasitär in meinem Inneren eingenistet haben, ein Äußeres zu geben. Dazu scheint es mir am besten geeignet, verschiedene Kategorien auf dieser Seite einzurichten, so wie man das ja auch im Nicht-virtuellen Raum tut, um sich einzubilden, das Leben wenigstens etwas zu verstehen. Bei mir sollen diesen Sinn folgende Kategorien erfüllen: Blogbuchstaben – in denen ich spontan nach Lust und Laune dem Inhalt eine lose Form geben kann, wie es gerade passt -, Von der Wahrheit – hier versuche ich, mir wichtige oder wichtig gewordene eigene oder gefundene Gedanken abzubilden -, Papiere – momentan noch Dinge, mit denen ich mich im Studium beschäftigt habe und die vor allem in fester Form vorhanden sind – und Schule – ich bin momentan im Vorbereitungsdienst, wie das Referendariat in Kompetenz-Modularisierungs-Deutsch jetzt heißt (zumindest in Hessen), und will die Seite auch dazu nutzen, die Inhalte SchülerInnen online zur Verfügung zu stellen oder sonst solchen modernen Internetkram damit zu machen.

Ok, ich nutze die Gelegenheit dann auch grade mal, um ein wenig (wirklich kurz und das soll auch die einzig explizite Stelle hier werden) über mich zu erzählen. Ich bin wie gesagt momentan im Referendariat, werde darin für die Fächer Deutsch und Erdkunde an Haupt- und Realschulen in Hessen/Marburg/Gladenbach ausgebildet. Momentan wohne ich noch/wieder in meinem Heimatdorf Wissenbach, wo ich jetzt, da ich in einem knappen Monat wieder nach Gießen ziehe, feststelle, dass mir die Menschen hier doch durchaus fehlen werden. Ich werde mit Jungschar- und Posaunenchorarbeit im CVJM brechen, was mir wahrscheinlich recht schwer fallen wird, weil mir über die ganzen Jahre doch die kleineren und auch die älteren Kinder ans Herz gewachsen sind. Außerdem hab ich trotz aller Meinungsverschiedenheiten zu den dörflichen Politik- und Lebenseinstellungen im Grunde den gleichen Glauben an Gott wie die Leute hier. Ich hab mich neulich leicht angetrunken bei einem Wissenbacher Freund darüber beklagt, dass es doch sehr viele Bauern hier gäbe. Auch wenn mir bei diversen Weltanschauungsäußerungen nur die Wahl zwischen Augenbraunhochziehen und Aufdielippebeißen bleibt, bereue ich mittlerweile die Aussage. Denn der Unterschied zwischen der „Weltkulturstadt Gießen“ und Wissenbach ist im Grunde nur der, dass die Bauern tendenziell etwas gebildeter sind. Bildung bestimmt aber menschliche Wesenszüge deutlich weniger, als man manchmal glauben mag… (Spätestens um 4h im Domizil hat sich so manche Bildung chemisch verflüchtigt.) Übrigens hab ich in Gießen schon während des Studiums etwa sechs Jahre gelebt und viele gute Menschen kennen gelernt, besondere Erwähnung soll hier mal der grandiose AKBp finden, der derzeit leider nur noch aus Sympathisanten besteht… Aber immerhin. Generell ist diese ganze Bildungssache mir ein wichtiges Anliegen, deswegen ist es gut möglich, dass in nächster Zeit noch die Kategorie Bildung hinzukommt. Aber: Auch Kategorien wollen erst einmal gefüllt werden, sonst stimmen sie ein in das Hämmern der Wozu-Fragen, die mein Schädelinneres zum Zerbersten bringen wollen. (Es wird ihnen übrigens nicht gelingen.)

Gut, ich belasse es dabei. Wenns irgendwas gibt, Mail-Kontakt ist oben zu finden. Ich weiß nicht, wie regelmäßig ich hier aktualisieren und schreiben werde, wills aber diesmal gegen den Grundsatz eines Freundes versuchen, der lautet: Was man anfängt, muss man auch aufgeben können.