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Wenn die Pflicht ruft

Habe grade beim Abendessen ein wenig fern gesehen und bin bei der MTV-Sendung AccesAllArea für ein paar Minuten hängen geblieben, die unter dem Titel Digital Heros lief. Gerade, als ich schaute, ging es um Kriegsspiele generell und Call of Duty 4 im Speziellen. Genauer gesagt ging es um diesen Ausschnitt des Spiels:

Ist die Szene, in der das Wort ‚pieces‘ fällt, wohl der sprachlich krasseste Kommentar der Off-Stimme, so ist das gesamte Spielgeschehen (zumindest dieses Ausschnitts) um so beunruhigender. Wohl vor allem beunruhigend, wenn man das Spiel nur sieht und nicht selbst spielt. – Nicht weil man durch das Spielen die Mechanismen durchschaut, das Spielprinzip in den Vordergrund tritt und die Darstellung in den Hintergrund rückt (nicht verschwindet), sondern gerade umgekehrt: weil man eben durch das Nichteingebundensein eine Distanz entwicklen kann, die eine Beurteilung ermöglicht, die sich allein auf die ‚transportierten‘ Bilder, Geräusche und Geschichten beschränkt.

Die erschreckend realistische Darstellung ruft bei Betrachtung – zumindest bei mir – ein gewisses Ekelgefühl hervor. (Das liegt vor allem an der Erkenntnis, dass die Akteure Krieg sehr technisch betrachten.) Genau dieses Gefühl hatte ich übrigens auch, als ich vor einigen Jahren auf Phönix eine Reportage zum Irakkrieg gesehen hatte. Dort war ein Ausschnitt zu sehen, in dem man im grün getränkten Bildschirm weiße Körper-Silhouetten zu sehen waren, die scheinbar entspannt bei etwas standen, das aussah wie ein stellenweise weiß-illuminierter Geländetruck. Im Off waren Stimmen zu hören, die sich auf Englisch über Funk unterhielten. Die Intonation der Stimmen hätte auch auf Ornithologen schließen lassen können, hätte nicht plötzlich das zerberstende Weiß der Silhoutten den Zusammenhang hergestellt.

Der darstellende Realismus von Krieg gewinnt in Kombination mit dem spielerischen Aspekt allerdings noch eine ganz andere Qualität. Mir geht es dabei nicht so sehr um die Debatte um so genannte „Killerspiele“ (vgl. heise.de). Das problematische sehe ich hier in der Virtualisierung der Realität, nicht umgekehrt. Dadurch dass die Mechanismen des Spiels (also die reaktionslastige Bedienung der Eingabegeräte bspw. um weiße Punkte möglichst genau anzuvisieren) in der Wahrnehmung des Spielers überwiegen, findet eine Entfremdung der Realität statt. Oder einfacher gesagt: Das Ekelgefühl kommt nicht beim Spielen sondern nur beim Betrachten (=distanzieren).

Um mich, Pharisäer, zu entlarven, muss ich ehrlicherweise auch eingestehen, dass ich den ersten Teil der Call of Duty-Reihe immer mal wieder mit Freunden im LAN gespielt habe. Hat auch Spaß gemacht und die einzig wirklich ausgeübte Wut richtete sich gegen die Latenzen verursachenden technischen Geräte der realen Inneneinrichtung. Dennoch:  Die Grenzen zwischen virtuell und real verschwimmen, wenn die einzige Unterscheidungsmöglichkeit die Quelle wird, woher wir die Bilder empfangen. Und dies ist mir bei dem gezeigten Ausschnitt auf MTV und der Erinnerung an Bilder des Irak-Kriegs irgendwie klar geworden.