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Autor: Ole

Alle Zeit der Welt heilt keine Wunden mehr.

Der Jubel wurde ihm aufgebürdet, die Bürde ihm untergejubelt.

Klage über die Freiheit

Was ich mal wollte, aber nicht konnte,
Schmerzt niemanden mehr als mich selbst.
Was ich mal konnte, aber nicht wollte,
Schmerzt niemanden mehr.

Was ich mal wollte, aber nicht konnte,
Frug ich mich ständig im Kreis.
Was ich mal konnte, aber nicht wollte,
Fragt man sich heute allein.

Was ich mal wollte, aber nicht konnte,
Bedrückte mich lange Zeit.
Was ich mal konnte, aber nicht wollte,
Drückt man jetzt dir auch noch auf.

Was ich mal wollte, aber nicht konnte,
Fehlt niemandem mehr als mir selbst.
Was ich mal konnte, aber nicht wollte,
Fehlt.

Deutschland Nach Fünfundvierzig

Nichts

Da war doch nichts.
Ich hab jedenfalls nichts getan.
Wir wussten auch überhaupt nichts davon.
Und außerdem hätte man ja eh nichts machen können.

Und ständig dieses Thema, als ob man sonst nichts hätte.
Wir können auch überhaupt nichts dafür.
Mit mir hat das jedenfalls nichts zu tun.
Das bringt doch nichts.

Wörter verlieren, um Worte zu finden.

Selbsterfüllt, abgrundtief.

Sich das Abstumpfen noch veredeln lassen.

Jetzt ist es schon so trocken, dass die Menschen die Sintflut ersehnen.

Verstörend beginnt Verstehen.

Christlich: Bewahrung der Wertschöpfung.

Avignon

Willkommen in der Oligarchie
Aufruf zum Protest am 7. März
Übersetzerfragment I
Übersetzerfragment II

Montolieu

Skulptur I
Skulptur II
An einem Töpferatelier
Liebesgedicht

Übung in Gelassenheit: sich nicht mit seiner Wahrheit gemein machen.

Google is in big trouble

Ich habe noch nicht mit midjourney herumgespielt, Diego. Aber diversen Tweets zufolge kommt man mit dem Herumspielen eh nicht mehr so gut hinterher, Stichwort: AutoGPT. Nvidia und Microsoft werden die AI Zukunft bestimmen, glauben einige.

In Frankreich hat mir der Googleübersetzer jedenfalls sehr geholfen. Manche Ergebnisse sind auch ganz lustig:

ChatGPT

Hier eine gute Zusammenfassung zum Potenzial von und Kritik an ChatGPT: Wie kann ChatGPT die Welt verändern. Mir ist allerdings noch nicht ganz klar, wieso Scobel ChatGPT als völlig neues Medium sieht. Vielleicht reicht auch mein Vorstellungsvermögen nicht, aber ich denke, man muss das auch benutzen wollen. Solange es textbasiert ist, denke ich, bleibt es eher was für Nerds. (Vielleicht ist das analog zur Entwicklung von Textadventures hin zu Point-and-click-Adventures zu sehen.) Solange ChatGPT&Co nicht funktionieren, ohne dass man was leesen muss, sehe ich nicht, wie sich das in der Masse durchsetzt. So als spontan generierter Podcast, das wäre fein. Doch halt – wenn ich nicht mehr gut lesen können muss, um mir Wissen anzueignen, wie garantiere ich dann, dass die Datenbanken, auf denen die zukünftigen ChatGPTs basieren, korrekt sind? Vielleicht wird Bildung dann noch exklusiver. Sich diese Sprachsoftware in Diktaturen vorzustellen, ist auch ganz lustig.

Ich habe ChatGPT ja eine Weile nicht benutzt, das letzte Mal auf unserem pädagogischen Tag, an dem wir Lehrer uns in der Schule an, über, mit und um iPads herum fortgebildet haben. Etwas gelangweilt habe ich dann, ermattet der Maschine Input zu geben, einen Kollegen gebeten, vorzuschlagen, was das Programm mal schreiben könnte. Herausgekommen ist eine Einleitung für eine Hausarbeit über Karl den Großen:

Karl der Große, auch bekannt als Karl der Große, war einer der bedeutendsten Herrscher Europas im Mittelalter. Als König von Frankreich regierte er von 768 bis 814 und hinterließ eine bleibende Wirkung auf die politische und kulturelle Landschaft Europas. In dieser Hausarbeit werden wir uns mit dem Leben und der Herrschaft von Karl dem Großen auseinandersetzen, einschließlich seiner Kriegsführung, seiner Förderung der Bildung und Kultur sowie seinem Beitrag zur Gründung des Heiligen Römischen Reiches.

chat.openai.com

Der Kollege war beeindruckt, mich hat es an mein unvorbereitetes Kurzreferat früher erinnert: „Die Wilhelmsstraße ist eine von Bäumen gesäumte Allee.“ Jemand anderes hat dann gebeten, einen Förderplan für Kevin schreiben zu lassen:

Verstehe. Hier sind einige Vorschläge für einen möglichen Förderplan für Kevin, der seine emotional-soziale Entwicklung unterstützt:

  1. Therapeutische Unterstützung: Kevin sollte regelmäßig eine therapeutische Unterstützung erhalten, um seine Emotionen und Verhaltensweisen zu verstehen und zu regulieren.
  2. Soziale Fähigkeiten-Training: Kevin kann von spezialisierten Trainern oder Therapeuten Übungen erhalten, die seine Fähigkeiten im Umgang mit anderen verbessern und seine Empathie fördern.
  3. Individuelle Förderung im Unterricht: Kevin sollte eine individuelle Förderung erhalten, die sich auf seine Bedürfnisse und Fähigkeiten konzentriert. Er kann auch in kleineren Gruppen oder in Einzelunterricht arbeiten, um soziale Interaktionen zu minimieren.
  4. Regelmäßige Feedback-Gespräche: Es ist wichtig, dass Kevin regelmäßige Feedback-Gespräche mit Lehrern und Therapeuten hat, um seine Fortschritte und Herausforderungen zu besprechen und umzusetzen.

Dies sind nur Vorschläge und es ist wichtig zu beachten, dass jeder Förderplan individuell angepasst werden sollte, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

chat.openai.com

Spaßig finde ich, dass Scobel das Programm nicht als Programm sieht und dann erklärt, dass es ein selbstlernendes neuronales Netz ist, das aber niemals ein Bewusstsein entwickeln wird. Da es aber menschliche Sprache simuliert und Sprache Identität stiftet, simuliert es quasi einen Menschen bzw. menschliche Sprache. Weitergedacht: Ich kann nicht ausschließen, selbst nur Bewusstsein zu simulieren. Oder anders gesagt: Die einzige Möglichkeit, weiterhin zu behaupten, der Mensch besitzt ein Bewusstsein, besteht darin, das Bewusstsein der Maschine zu leugnen. (Je weniger ich denke, desto bewusster lebe ich.) Oder wem das zu wirr ist:

Der Mensch ist das einzige Tier, das eine Maschine simulieren kann.

10-30-Regel

Geh 10 Schritte weiter und nimm dir dazu 30 Sekunden mehr Zeit, als du es normalerweise tun würdest. (Wohnen wie die Profis)

Mich erinnert die Regel ans Paretoprinzip oder auch die 80-20-Regel (siehe auch: Zeitmanager). Während man bei der 80-20-Regel herausfinden muss, welcher Teil der Arbeit zu den ekligen 20% gehört – die verwendete Zeit ist es nicht immer – ist bei der 10-30-Regel der Haken offensichtlich: Man benötigt entsprechend Platz und Zeit.

Gemäß europäischer Definition muss ein Ein-Personen-Haushalt mindestens zwei Zimmer haben, etwa ein Wohn- und ein Schlafzimmer, damit die Wohnung nicht als überbelegt gilt. (Wohnraum in Deutschland)

Statt der Kunden kritisieren vor allem andere Handwerksbetriebe die Vier-Tage-Woche, auch gewerbeübergreifend. Die seien jetzt im Zugzwang, weil ihre Beschäftigten offenbar auch gern ein anderes Arbeitszeitmodell hätten. (Personalmangel in Firmen)

Vielleicht sollte man weniger Regeln und mehr Freiraum schaffen? Jedenfalls finde ich es witzig, dass Aufräumen zur neuen Achtsamkeit wird. Mich entspannt es übrigens nicht, wenn ich von mir erwarte, ständige mindful sein zu müssen. Ich erinnere mich an eine schulische Fortbildung, in der es um Kommunikation ging. Als wir zu Beginn nach unseren Erwartungen und Wünschen gefragt wurden, war ich irgendwann an der Reihe: „Ich würde gerne unbewusst besser kommunizieren können.“ Darauf ist die Seminarleitung dann mit keinem Satz eingegangen. Vielleicht auch ne hilfreiche Regel, dumme Beiträge einfach zu ignorieren.

Podcastnation

Während ich Sinnvolleres zu tun hätte, grüble ich nun seit einer Weile über eine Wortneuschöpfung aus den Begriffen Podcast und Prokrastination. Jedenfalls sind Podcasts schon so „in“, dass die jungen Kolleg:innen an der Schule sie als Unterrichtsmethode verwenden. (Also wieder „out“?) Meine Kritik, dass Podcasts nur unter der Bedingung regelmäßigen Contents funktionieren – ähnlich wie ein Blog -, wurde ignoriert und das einmalige Projekt im Unterricht angegangen.

Ich habe den Eindruck, dass es in der letzten Zeit eine Schwemme an neuen Podcasts gegeben hat. Vielleicht entwickelte sich das parallel mit dem verstärkten Versenden von Sprachnachrichten. Über Letzteres entwickelte sich neulich ein Hashtag (das ist bei Twitter ein Begriff für „Diskussion“ oder „Aufregung“ oder „Provokation“) namens #Sprachnachrichten.

(Wenn mich jemand früge: Die Person, die eine Sprachnachricht versendet, zieht sich fein aus der Affäre, denn der andere muss jetzt die Leistung aufbringen, die wichtige von der unwichtigen Information zu trennen. Schreibend würde man sich wohl kaum die Mühe machen, einen Text zu verfassen, der 2-3 Minuten lang gelesen werden muss – Ulay, was leesen! – , um eine oder zwei relevante Infos darin zu verstecken. Aber klar, es gibt sicher auch Vorteile für den Hörer. Ich finde die ungewollten Informationen sehr unterhaltsam, wie z.B. wenn jemand während der Sprachnachricht seinen Bus verpasst oder sowas. Ein Problem bleibt natürlich die fehlende Durchsuchbarkeit.)

Könnte es sein, dass die Produzent:innen von Texten einfach schreibfauler geworden sind und deswegen eher jetzt Podcasts machen? Ein Vorteil könnte auch sein, dass der Text nun eben mehr „passiert“ und man den Inhalt nicht so auf den Punkt bringen muss.

Was ich ganz gut finde, ist, dass der Deutschlandfunk aus seinem Radioangebot Podcasts macht. In solch kürzeren oder längeren Versatzstücken erschafft er so durchsuchbares Radio. Da gabs jetzt in Studio 9 ein ganz gutes Gespräch mit Bernd Ulrich, das klang während der Autofahrt vorhin recht klug, was der so antwortete.

(Ich war mit Anne auf der Rückfahrt von Münster, wo wir auf ein Oddisee-Konzert wollten. Das wurde aber noch spontaner abgesagt. Also entschieden wir spontanst, uns gestern Abend bei unserem nicht stornierbaren Hotel die Zeit zu vertreiben.)

Es stellt sich mir in meiner Erinnerung so dar, als hätte Ulrich in dem Radiogespräch nebenbei nahezu sämtliche Gegenwartsprobleme mit dem Klimawandel verknüpft. Vielleicht wirkte es aber auch nur so klug, weil ich ja hauptsächlich noch Auto fuhr und wir uns nur nebenbei die Zeit vertrieben.

Können eigentlich nur Individuen prokrastinieren oder geht das auch bei ganzen Gesellschaften? Vielleicht wäre das ein moderner Problemlöseansatz, so nach dem Motto: OK, wir wollen (gefühlt: können) nicht das sofort Notwendige zur Bekämpfung der Erderhitzung tun, dann machen wir erstmal was anderes moralisch Sinnvolles und sorgen z.B. dafür, dass wir nicht so rassistisch sind.

Die „Diskussion“ um Disneys Arielle fand in einer anderen Folge auch Widerhall. Ich finde es ganz schön krass, wie viele Leute ihren Rassismus mit dem Unwillen zur Veränderung begründen. Was würde wohl Mermaidman von alledem halten? Und was würde Friedrich Merz von Meerjungfraumann halten?

Der Mensch: hungernd, nicht hungrig.

In der Maske seines Henkers sich selbst finden.

Angst und Reue fliehen vor der Gegenwart.

Sein Verstand brachte ihn um den Hunger.

Als Ressource betrachtet wird Wahrheit zum Fossil.

Die Welt in 100 Jahren

Während wir gerade innerhalb kurzer Zeit wiederholt Zeitzeugen werden (fühlt sich nicht so gut an, wie es klingt), hat Anne an der Straße ein Buch gefunden und mir mitgebracht: Die Welt in 100 Jahren. Es handelt sich um eine Neuauflage eines Buches aus dem Jahr 1910. Zwei Passagen sind mir aufgefallen.

In einem Beitrag mit dem Titel Das 1000 jährige Reich der Maschinen blickt Hudson Maxim 4 Jahre vor Ausbruch des 1. Weltkrieges in dem Abschnitt Was können wir prophezeien? selbstgewiss in die Zukunft:

Es gibt mancherlei, was wir trotz unserer Unzulänglichkeit bis zu einem gewissen Grade sicher voraussagen können. […] [Die Gegenwart] ist eine wissenschaftliche Epoche und eine Periode materieller Vollendung; ihr aber wird eine soziologische Zeit folgen, eine Aera der ethischen und philosophischen Vollendung und der Entwicklung einer höheren psychischen Kultur – kurz eine Reife der geistigen und moralischen Eigenschaften, die zu höchster Blüte gelangen werden.

Schon in der gegenwärtigen Zeit stehen wir, vom menschlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, auf einer ganz beträchtlich höheren Stufe als die Alten. In den alten Zeiten gab es keine Anerkennung von Dingen, wie beispielsweise unsere unveräußerlichen Menschenrechte es sind; und ein Volk, in dessen Macht es stand, ein anderes mit Erfolg zu berauben oder zu unterjochen, hielt es für eine Dummheit, ja für eine Schmach, es nicht zu tun und es nicht zu berauben und nicht in die Sklaverei zu schleppen. […]

Eine der größten Segnungen der modernen Zivilisation ist aber die Erweiterung der menschlichen Nutzbarkeit. Und man würde es heutzutage nicht nur als Grausamkeit, sondern geradezu als eine unverantwortliche Verschwendung an Menschenleben ansehen, wenn jemand über ein benachbartes Volk herfallen und es bis auf den letzten Mann niedermetzeln wollte.

Es ist eben glücklicherweise ein wachsendes Verständnis dafür da, daß die Welt, die wir bewohnen, nur ein einziges großes, einheitliches Vaterland ist. Der Patriotismus wagt sich jetzt schon über die nationalen Grenzlinien hinaus. Ein zunehmender Geist internationaler Verbrüderung ist vorhanden […].

Ein weiter Beitrag ist von Robert Sloss: Das drahtlose Jahrhundert. Im Abschnitt Das Ende von Raum und Zeit stellt er sich die Zukunft u.a. so vor:

Es wird keine Zeit und keine Entfernung mehr geben, und einer Katastrophe wie der jüngsten von Messina und Kalabrien werden wir alle beiwohnen können, sicher in unserem Hause sitzend, wo immer dieses auch steht. Wir werden einfach auf drahtlosem Wege uns mit der Unglücksstätte verbinden lassen, und wer an dem Anblick allein nicht genug hat, sondern die Sensation furchtbarer Art ganz wird auskosten wollen, der wird, wenn er will, auch das Angstgewimmer der Leute, das Verröcheln der Sterbenden und die Schreie der Hungrigen und die Flüche der Irrsinnigen hören. Jedes Ereignis werden wir so mitmachen können.

Zu seinem Beitrag wurde diese Zeichnung von Ernst Lübbert veröffentlicht. Ich finde sie ganz spannend. Die 4 Grazien tanzen wie Satelliten einen geisterhaften Beschwörungstanz um die Erde:

Laut Wikipedia wurde Ernst Lübbert zu Beginn des Ersten Weltkriegs einberufen und trat „von patriotischen Gefühlen erfüllt“ im August 1914 den Dienst an. Ein Jahr später kam er in Hrodna, im heutigen Belarus durch einen Bauchschuss ums Leben.

Alles muss raus: Selbstfindung wegen Bestandsauflösung.

Nur, was noch passieren kann, hat einen Zauber inne.

Perfektioniert: Sinnlosigkeit erlangt.

Tatran

Vor zwei Wochen habe ich mir in der Berghainkantine – ich hab mir extra das Hausverbotsoutfit angezogen, damit man mich wiedererkennt (hat aber nichts genützt) – ein Konzert angehört. Tatran hat dort als Trio mit Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass Instrumentalmusik gemacht, die schwer zu kategorisieren ist. Post Progressive Jazz, gibt’s das? Selbst schreiben sie über sich:

TATRAN (Tel Aviv, 2011) are an eclectic Tel-Aviv based instrumental band, with musical influences that range from jazz, avant-garde, post-rock and experimental.

Auch in dieser Gruppe war mal wieder der Bassist auffällig. Bei einem Lied hat er sein Pedal derart eingesetzt, dass er ein klassisches E-Gitarrensolo hingelegt hat. Hat ein paar Minuten gedauert, bis ich gerafft hab, dass da gerade der Bass den Gitarrenpart übernimmt. Schwer in Ordnung die Musik.

Von diesem Konzert hab ich kein Video gefunden, dafür dann das hier:

Diese Pointe Islam.

Disclaimer: Dieser Text behandelt religiöse Themen! (Atheisten oder Agnostiker mit schwachen Nerven seien gewarnt.)

Am Montag besuchte ich in weiblicher Begleitung eine kleine Wanderausstellung der Ahmadyya-Gemeinde Deutschlands im Marburger Rathaus zum Thema Islam. Einer der Ausstellungsbetreuer sprach mich ziemlich schnell an, bevor ich mir auch nur eines der im Raum ausgestellten Roll-ups (s. auch: Public Viewing) durchlesen konnte, die – bis auf zwei spezielle Ahmadyya-Themen zu Kalifen&Co –  größtenteils mit eher allgemeinen Islaminformationen gefüllt waren. Das fanden wir im Nachhinein ziemlich praktisch – ulai, was leesen! So erfuhren wir zum Beispiel, ohne ein Wort lesen zu müssen:

Abdul Basit Tariq, Imam der Ahmadiyya. Der Glaube an eine Art „hauseigenen Kalifen“ bricht das islamische Dogma, dass auf Muhammad kein weiterer Gesandter mehr folge. Damit hat sich die Gemeinde die Ablehnung der übrigen Muslime zugezogen. Im Ursprungsland der Bewegung, Pakistan, verfolgt man die Ahmadis als Ketzer. Sie scheinen Altbekanntes neu zu deuten: Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern wurde 120 Jahre alt. Vor allem wollen sie eines, behaupten die Ahmadis: Verständigung und Frieden. (Deutschlandfunkkultur)

Sowas hier hat er uns allerdings vorenthalten:

Hiltrud Schröter: „Die Ahmadiyya ist eine millenarische Kalifat-Bewegung mit der Ideologie vom Endsieg und mit Großmachtfantasien. Zum Beispiel sagte der jetzt regierende fünfte Kalif: Alle göttlichen Anweisungen von Adam bis Jesus sind im Koran enthalten. Der Sieg wird uns geschenkt werden. Die Ahmadiyya wird die Oberhand auf der ganzen Welt erzielen. Das wurde dann noch erläutert. Die Oberhand werde auf der ganzen Welt in 300 Jahren erlangt sein. Die Ahmadiyya ist weltweit bereits aufzufinden in sämtlichen Erdteilen und zwar ist sie nach neuesten Angaben bereits in 190 Ländern und hat insgesamt 14.000 Moscheen bereits erbaut. Das alles in den gut 100 Jahren.“ (ebd.)

Das Gespräch war inhaltlich sehr informativ und später intensiv. Insbesondere als wir Fragen zur Frauenrolle in deren Gemeinden stellten, wurde es dann zu einem höflichen Streitgespräch. Die Begründung, warum eine Frau keine Imamin werden kann, hat mich nicht überzeugt (musste es ja auch nicht): Während der Menstruation dürften Frauen nicht beten. Und was wäre das für ein Imam, der nicht ständig für seine Gemeinde da sein kann? Für mich klang das im Gespräch dann noch öfter nach Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Ein weiterer Betreuer aus Gießen gesellte sich noch dazu und merkte an, dass seine Schwester im Jugendalter beschlossen habe, kein Kopftuch mehr zu tragen. Das sei in Moschee und Familie kein Problem gewesen. Er merkte aber auch an, dass dies bei Gemeinden auf dem Dorf unter Umständen anders sein könnte.

Das würde übrigens meine Beobachtung vergangener gesellschaftlicher Entwicklung bestätigen, dass wir in Wahrheit keine echten Konflikte zwischen Geschlechtern, ‚Rassen‚, Generationen, zwischen Gutmenschen und Stammtischdeutschen, Fleischessern und Veganern etc. haben. Vielmehr sind dies nur Schlachtfelder der Anschaungen zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung. (Da, wo unterschiedliche Menschen miteinander besser und häufiger in einen Austausch kommen können, kann auch besser und häufiger gegenseitiges Verständnis entstehen.) Ich muss nämlich ehrlich sagen, dass ich solch ein ähnliches Gespräch auch mit jemandem in Wissenbach hätte führen können. Patrick bestätigte mich am nächsten Tag: In der FEG in Wissenbach seien weibliche Pastoren eher nicht erwünscht. (Ein Blick auf die Liste der Prediger bestätigt das. Der einzige weibliche Name ist die ehemalige Pfarrerin der evangelischen Kirche.)

Am Schluss des Gesprächs in der Ausstellung war ich dann ein bisschen fies – und hab den Ahmadis die Hand ausgestreckt. Ich wollte nämlich kucken, ob sie ihrer weiblichen Gesprächspartnerin danach auch die Hand schütteln würden. Hamse gemacht. Den zögerlichen Widerwillen interpretierten bestimmt meine Vorurteile in ihre Gestik. Ich fand es jedenfalls schade, dass ich nur männlichen Gemeindemitgliedern die Hand hätte schütteln können. (Das habe nur am Tag gelegen, so ein Gesprächspartner.)

Insgesamt waren mir die religiösen Ansichten der beiden freundlichen Ahmadis zu dogmatisch. Ich bekam den Eindruck, dass es im Grunde für alles eine Verhaltensregel gebe. Mein Gedanke dazu war: Wenn Gott auf die Freiheit des Einzelnen pfeifen würde und es ihm wichtig wäre, dass sich seine Menschen an ein detailiertes, für jede Eventualität gewappnetes Regelwerk hielten, tja, dann wäre es doch am effektivsten, wäre er höchstpersönlich anwesend und würde in seiner Allmacht jedem Menschen immerzu das Passende sagen: „Mach das. Lass das. Leg das weg. Jetzt nicht beten, du blutest.“ Und nicht sowas:

Jesus sprach nun zu den Juden, welche ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. (Joh 8, 31f)

Eugen Drewermann hat, wenn ich mich richtig erinnere, in seiner Übersetzung des Johannesevangeliums die Wörter wie „Juden“, „Schriftgelehrten“ oder „Pharisäer“ mit Gottesbesitzer übersetzt. Ich glaube, weil er damit deutlich machen wollte, dass es nicht um die Herkunft dieser Personengruppen sondern um deren Verhalten geht, wenn sie dogmatisch genau wüssten, was Gottes Wille sei. Das ist aber nur meine Lesart.

Für die Wahrheit kann nur streiten, wer sie nicht besitzen will.

Peru

„Leichtes Erdbeben“ nach Elfmeterpfiff:

Um 11.43 Uhr Ortszeit verzeichneten am Samstag die Seismographen leichte Erschütterungen in der Region rund um die Hauptstadt Lima. Exakt in dieser Minute hatte der Schiedsrichter bei der Partie Peru gegen Dänemark der peruanischen Mannschaft einen Elfmeter zugestanden. „Das Beben wurde von vor Freude springenden Fans ausgelöst, die ein mögliches Tor vorab bejubelten“ […].

Vielleicht sollte dort mal ne WM stattfinden.

Gefühlssache

Gefühle sind ja so eine Sache. Oder eben keine.

TED Radio Podcast: Decoding Our Emotions beschäftigt sich mit dem Thema sprachlich-kulturell, historisch-evolutionär, technologisch und musikalisch.

Wenn in naher Zukunft tatsächlich Roboter Standard sind, die u.a. anhand der Gesichtsmimik (vor)schnell Wünsche erkennen, wird dann der innere Abwägungs- und Entscheidungsprozess verstümmelt? Gibt es dann endlich eine Trennung von Körper und Geist? Können Roboter von Autisten lernen? Mögen Roboter Musik? Are we feeling machines that think?

Dienst und Dienlichkeit

Mir geht seit einiger Zeit durch den Kopf, mich von den größeren Diensten zu verabschieden. Konkret meine ich da Facebook, Twitter, Whatsapp, Microsoft und Google. Geschafft habe ich bislang Facebook. Zumindest glaube ich das, denn ich habe Sorge, das zu überprüfen. Denn Facebook sagt, wenn du deinen Account löschst, bewahren wir deinen Zugang noch 6 Monate auf und falls du es dir anders überlegst, musst du dich nur einmal mit deinen Zugangsdaten einloggen und – Zack – bist du wieder dabei! So scheiterte mein erster Versuch daran, dass ich an einem meiner Telefone vergessen hatte, den Facebookdienst zu deaktivieren. Und als ich es dann mal wieder aus Nostalgiegründen startete – Zack.

Auf Whatsapp habe ich halb gezwungenermaßen mal eine Weile im vorletzten und letzten Jahr verzichtet, als ich auf dem Fairphone 2 den community port von SailfishOS installierte. Der kommt logischerweise ohne Androidlayer daher und da diverse inoffizielle Whatsapp-Appentwickler irgendwann Post vom Anwalt von Facebook erhielten, wurde die Einstellung der Entwicklung an nativen Anwendungen wie Whatsup oder Mitakuuluu erzwungen. Ich hingegen hab eines der beiden Programme weiter genutzt und – Zack – wurde meine Nummer geblockt, Whatsapp hatte mich rausgeschmissen. Im Affekt hab ich dann den Support kontaktiert und Hilfe erbeten. Da wurde per Gnadenrecht erwirkt, dass meine Nummer wieder reaktiviert wurde, jedoch mit dem Hinweis, bei einer weiteren Verfehlung meinerseits endgültig gesperrt zu werden. Daraufhin boykottierte ich dann aus Protest (und in Ermangelung konkreter nativer App-Alternativen) Whatsapp weitgehend und nutzte eine Weile Telegram als Hauptmessenger.

Tja, mein Resümee dieser Zeit war: Wenn Fairphone keine Displayprobleme gehabt hätte und mich (und andere) etwa ein halbes Jahr lang auf einen Austausch des Displaymoduls hätte warten lassen, hätte ich mir womöglich nicht das Sony Xperia X samt Sailfish-Lizenz gekauft, dort den Androidlayer aktiviert, um wieder Whatsapp nutzen zu können, und zu allem Übel auch noch die Google Services draufgefuddelt, damit ich die Strava-App nutzen kann. Also letztlich ziemlich viel Gedäh, weil ich irgendwie doch noch angebunden bleiben will.

Das Hauptproblem in diesem Zusammenhang sehe ich darin, wie langfristig die diversen Dienste offene Schnittstellen behalten. Das machen sie vermutlich so lange, bis sie eine derartige Verbreitung haben, dass sie sagen können, wir schließen unsere APIs jetzt und damit vergraulen wir nur einen verschmerzbaren Teil, siehe Facebook. Denn wer will schon alle paar Jahre/Monate seine Dienste wechseln und damit seine Kommunikationsmöglichkeiten womöglich stark einschränken? Es will ja auch nicht jeder ständig umziehen und sich Freundeskreise neu aufbauen. Man bräuchte also sowas wie ein LTS-API.

Zugegeben, das sind nicht die Probleme der Nutzer, die ja im Grunde im Mobilbereich nur zwischen zwei Plattformen für Programme entscheiden können. (Das Geschrei will ich nicht erleben, wenn Facebook ins Hardwaregeschäft einsteigt und seine Dienste für Google-Android und iOS nicht mehr anbietet.) Deren Probleme – und meine, wie ich feststellen musste – liegen eher im Bereich der Verbreitung und dem Anwendungsumfang: Mit welchem meiner Kontakte kann ich mittels welchen Dienstes wie kommunizieren?

Und da haben sich in meiner Vergangenheit – Zack – einige Abhängigkeiten entwickelt, deren Ausmaß ich erst jetzt allmählich überschaue: Microsoft nutze ich gelegentlich noch mit Windows 10 auf dem Desktop-PC und auf Onedrive habe ich über längere Zeit einige mittelwichtige Daten angehäuft, auf die ich spontan, unkompliziert und umfangreich zugreifen kann. Googlemail hatte ich mir mal eingerichtet, weil man dort so praktisch verschiedene Mailadressen einbinden kann, und diese alten Mailadressen werden noch gelegentlich genutzt.

Da fällt mir zum Schluss nur Kants Ausspruch ein, Moment, ich google ihn kurz…:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Nachtrag (7.4.) (mit Update (7.4.)): Das wars dann wohl auch mit der Twitter-Einbindung in SailfishOS: Twitter closes API for real-time updates for all non-official apps. Mehr auf http://apps-of-a-feather.com/und dem Twitterblogeintrag von Dezember mit dem irgendwie euphemistischen Titel „Announcing more functionality to improve customer engagements on Twitter“:

We are providing notice to all Twitter developers that on Tuesday June 19, 2018 we are retiring the following services and endpoints:

User Streams
Site Streams
GET direct_messages
GET direct_messages/sent
GET direct_messages/show
POST direct_messages/new
POST direct_messages/destroy

Update: Der Entwickler von Piepmatz sieht das Ganze entspannt. Pushbenachrichtigungen von Direktnachrichten könne man bspw. auch ohne API implementieren.

Nachtrag 2 (7.4.): Tinder-Singles geraten in Panik:

„Ich habe heute eine Verabredung aber nicht ihre Telefonnummer“, nölte Max Davids auf Twitter. „Das ist ein ernstes Problem für mich.“ Am Ende ging aber alles gut: „Sie nutzte ihre Detektivkünste, um mich auf Twitter zu finden“, freute Davids sich später. Die Frau sei ein guter Fang.

Alexa, lass mich in Ruhe!

War gestern bei nem Freund, der mit Alexa im Wohnzimmer zusammenlebt. Wir hatten jede Menge Spaß zu dritt, Amazons Echo Dot hat uns nur schwerlich verstanden. Das hat mich sehr beruhigt. Ich hab nämlich nach Sascha Lobos Podcast gedacht, dass die Technik schon so gut funktioniere, dass man die technische Ebene nicht mehr wirklich spürt. (Auch deswegen hatte ich mich gestern kritisch zur zukünftigen Vernetzung geäußert.) Mit Alexa zu reden, ist, wie mit einer Maschine zu reden, an die ich mich anpassen muss.

Mein erster Befehl gestern war Alexa, spiel doch mal Oddisee, Built By Pictures. Es wurden dann irgendwelche Oldies abgespielt und mein Freund rief Stopp! Alexa, stopp! Es hat ein wenig gedauert, bis wir gecheckt haben, dass ich den Künstlernamen Deutsch ausgesprochen hab (See), mit englischer Aussprache (see) hats dann funktioniert, wobei das Lied nicht erkannt wurde und dann irgendwas von Oddisee abgespielt wurde.

Haupteinsatzbereich ist vermutlich noch Musikstreamdienststeuerung, auch wenn die Sprachsteuerung im Smarthomebereich nochmal interessanter würde. Es werden aber leider nur wenig Streamingdienste unterstützt. Wer also kein spotify nutzt, für den ist das eher nix.

Es gab bei der Bedienung noch so einige Schwierigkeiten später, habe mich eher wie in der Telekomhotline gefühlt, bevor man einen genervten Menschen am Telefon hat. (Ich habe Sie nicht verstanden.) Alexa hat mir beim Klangschalenskill (App heißt bei Alexa Skill, App mich am Skill!) alle Namen der Klänge vorgelesen, obwohl ich das ausdrücklich nicht gewollt hatte und auch einen Namen zu nennen, während sie auflistet, hat sie nicht unterbrochen. Das kann die Hotline besser.

Jedenfalls bin ich mit einem leicht glücklichen Gefühl wieder gefahren, als ich das von Hand gestartete Eastern Promises von Omar Rodriguez-Lopez im Auto hörte und mit der Technik vorhin unzufrieden gewesen war. In Schwierigkeiten mit der Bedienung offenbart sich die technische Ebene und dies sorgt dafür, dass man die Maschine als einen Fremdkörper erkennen kann.

So betrachtet wird mir die Utopie im Film Her immer unheimlicher. Was, wenn die Maschinen uns nicht verlassen, weil sie unser überdrüssig werden?

Nachtrag (9.4.):
Alexa, what is love?

Neue Netze

Falls ihr Lust auf ein anderes Internet habt, probiert doch IPFS mal aus: https://ipfs.io/. Falls ich es halbwegs kapiert habe, soll es eine Alternative zum bestehenden http-Protokoll (also einem Client-Server-System aka WorldWideWeb&Co) durch Peer-to-Peer und Blockchain mit dezentraler Datenspeicherung und -übertragung sein. Praktisch ändert sich durch das System, dass Dateien nicht mehrfach abgelegt würden. No more broken links? Ich erinnere mich an Theodor Holm Nelsons Ideen zur Umsetzung von Hypertext. Vielleicht wird Xanadu so doch noch ein bisschen Wirklichkeit.

In dieser Richtung zu nennen wäre noch Einiges, wie z.B. das Konzept von dApps (das ‚d‘ steht für decentralized). Interessant finde ich gerade Zipperglobal (Blockchainplattform für Smartphones basierend auf Ethereum) und deren Zusammenarbeit mit streamr (damit soll man Kontrolle über persönliche Daten erlangen).

Am Rande will ich noch hinweisen auf Fuchsia (das hatte ich schon wieder voll vergessen), einem von grundauf neu programmierten Betriebssystem, von Google entwickelt (was auch immer das heißt) womöglich für die kommende IoT-Sause.

Zum Schluss ein kritischer Gedanke: Es rollt mit dem Internet of Things und all der Weiterentwicklung der Vernetztheit eine Welle auf uns zu, welche die entscheidenden Veränderungen auf einer Ebene bringt, die wir Menschen aktiv nur oberflächlich wahrnehmen und schwer verstehen werden, uns aber in unserem Selbstverständnis wesentlich verändern kann. Dem Homo Oeconomicus folgt sowas wie der Homo Reticulus? (Stichwort: Netzwerk&Co)

Was passiert mit dem Individuum in der wirklich vernetzten, schönen neuen Welt?